Kommentar

Katholische Kirche Zweifelhafte Selbstheilungskräfte
Stand: 10.03.2019 19:09 Uhr
Von der deutschen Bischofskonferenz ist in puncto Aufarbeitung des Missbrauchsskandals wenig zu erwarten: Der Vatikan hat keine Männer zu Bischöfen gemacht, die das System infrage stellen.
Ein Kommentar von Sebastian Kisters
Befragt nach dem Zustand seiner Kirche, äußerte sich der gerade in den Ruhestand verabschiedete Bischof von Fulda, Heinz Josef Algermissen, so: "Es gab am Olivenbaum der Kirche immer Äste, die abgestorben sind. Und neue, die zum Leben kommen."
Allein: In diesen Tagen fällt es schwer, nur von kaputten Ästen zu sprechen. Vielmehr zeigt sich: Der Stamm ist faul.
Und ob der Missbrauchsbericht der katholischen Kirche in Deutschland jetzt Selbstheilungskräfte freisetzt? Man darf zweifeln. Denn dafür müssten die Bischöfe mutig sein. Und Rom hat keine Männer zu Bischöfen gemacht, von denen zu erwarten ist, dass sie das System infrage stellen.
Der Zölibat war nie zeitgemäß
Zum Beispiel die Pflicht zum Zölibat. Manche sagen, er sei nicht mehr zeitgemäß. Was für ein Quatsch. Das war er nie. Oder gab es Zeiten, da sich Menschen nicht nach Berührungen und Sex gesehnt haben?
Fünf Prozent aller katholischen Priester wurden laut der Missbrauchsstudie zu Tätern, aber nur ein Prozent der Diakone. Darüber muss geredet werden.
Über ein Ende der Zölibatspflicht wird in anderen Ländern unter den Klerikern bereits diskutiert. Dazu ein Signal der deutschen Bischofskonferenz - das wäre mutig. Aber soll man das von einer Bischofskonferenz erwarten, die sich nicht einmal einigen kann, ob protestantische Partner von Katholiken zur Kommunion gehen dürfen?
Tausende Missbrauchsfälle - und nichts gewusst?
Noch mutiger wäre es, das Verhältnis der Kirche zu Homosexualität zu besprechen. So wie es der Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz jüngst getan hat. Er sagte: "Eine Kirche, die Homosexualität kategorisch verurteilt, zieht homosexuelle Menschen an, die von ihrer Veranlagung nichts wissen wollen. Das ist sehr gefährlich."
Die Zeit des (Ver)Schweigens und Vertuschens muss endlich enden. Und noch eine Frage sollte dringend beantwortet werden: Wie wahrscheinlich ist es, dass bei derart vielen Missbrauchsfällen kein einziger Bischof davon wusste? Die Spitze der katholischen Kirche ist es den Betroffenen schuldig, endlich Verantwortliche zu benennen.
Schuldig ist sie das auch den vielen Priestern und Ehrenamtlichen, die die Kirche trotz aller Skandale für viele Menschen zu einem Ort machen, an dem sie Trost, Halt und Gemeinschaft finden.
Gesunde, junge Zweige an einem schwer angeschlagenen Baum, das kann auf Dauer nicht gut gehen. Nicht einmal bei Olivenbäumen, die angeblich bis zu 5000 Jahre alt werden können.
Sebastian Kisters, HR, zum Umgang der katholischen Kirche mit dem Thema sexueller Missbrauch
tagesschau 14:00 Uhr, 25.09.2018