
50 Jahre "Apollo 13" "Ein erfolgreicher Fehlschlag"
Stand: 11.04.2020 10:28 Uhr
Vor 50 Jahren startete "Apollo 13" zum Mond. Die Mission gilt bis heute als eine der dramatischsten Beinahe-Katastrophen der Raumfahrt und ist zugleich ein Beispiel für erfolgreiches Krisenmanagement. Es gibt sogar Parallelen zur Corona-Pandemie.
Von Dirk Wagner, HR
"Houston, we've had a problem here". Dieser Satz gehört zu den bekanntesten Zitaten der Raumfahrt. Er kam am 13. April 1970 aus einer Entfernung von mehr als 300.000 Kilometern von der Besatzung des Raumschiffs "Apollo 13". Kommandant Jim Lovell und seine Kollegen Fred Haise und Jack Swigert waren plötzlich mit einer Situation konfrontiert, die aus der dritten geplanten Landung von Menschen auf dem Mond einen Kampf ums Überleben werden ließ.
50 Jahre nach missglückter Mondmission der "Apollo 13"
tagesthemen 23:40 Uhr, 12.04.2020, Verena Bünten, ARD Washington
Explosion im All
Dabei hatte der Flug hoffnungsvoll begonnen. Am 11. April 1970 hob die gigantische Saturn-5-Rakete mit "Apollo 13" an der Spitze vom Kennedy Space Center in Florida ab. Ein Großteil der amerikanischen Öffentlichkeit interessierte sich aber kaum noch dafür: Nach der ersten Mondlandung mit "Apollo 11" im Juli 1969 schienen diese Missionen längst Routine geworden zu sein - was sie nicht waren.
Am Abend des 13. April hatte die Bodenmannschaft in Houston noch eine Aufgabe für Astronaut Swigert. Er sollte Ventilatoren und Heizelemente in den beiden Sauerstofftanks aktivieren, nichts Ungewöhnliches. Nur anderthalb Minuten später jedoch erschütterte eine Explosion das Raumschiff. Im Versorgungsteil direkt hinter der Mannschaftskabine war aufgrund eines technischen Defekts ein Sauerstofftank explodiert, besser gesagt durch plötzlichen Überdruck zerborsten. Der zweite Tank mitsamt den Zuleitungen wurde erheblich beschädigt. Dadurch war auch die Energieversorgung betroffen. Somit standen nur noch für maximal zwei Stunden Strom und Atemluft zur Verfügung. Der Rückflug zur Erde würde aber mehrere Tage dauern.
Die Mondfähre als Rettungsboot
Die einzige Möglichkeit zu überleben lag in der bereits angekoppelten Mondlandefähre: ein eigenes kleines Raumschiff mit unabhängigen Systemen. Allerdings war sie nur dafür ausgelegt, zwei Mann für rund 45 Stunden am Leben zu erhalten. Nun sollten drei Männer etwa doppelt so lange dort ausharren. Die Astronauten mussten massiv Energie und vor allem Wasser sparen, damit die begrenzten Vorräte ausreichten. Im Raumschiff wurde es eiskalt, bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt. Und es gab nur dünne Flug-Overalls an Bord, keine Jacken.
Am Ende der Mission war die Crew deshalb dehydriert und völlig erschöpft. Trotzdem schaffte sie es kurz vor der Landung, die tagelang abgeschaltete Kommandokapsel wieder zu aktivieren. Nur sie verfügte über den lebensnotwendigen Hitzeschild für den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre. Die Mondfähre war für eine Rückkehr zur Erde nicht ausgelegt und verglühte. Am 17. April wasserte die Apollo-Kapsel schließlich im vorgesehenen Zielgebiet im Pazifik
Die NASA nannte die Mission später einen "erfolgreichen Fehlschlag", weil es zwar nicht gelungen war, auf dem Mond zu landen, aber die drei Astronauten zu retten. Ein Beispiel für erfolgreiche Krisenbewältigung, das überraschende Parallelen zur aktuellen Corona-Pandemie erkennen lässt.
Klares Ziel vor Augen
In beiden Fällen wurden schnell ein neues Ziel definiert und alle Kräfte darauf konzentriert. Bei "Apollo 13" ging es nach dem Zwischenfall nur noch darum, die drei Astronauten zu retten. Auch in der Corona-Krise ist das vorrangige Ziel klar: Die Geschwindigkeit der Neuinfektionen verlangsamen, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten.
Dabei kommt es auf verlässliches Datenmaterial an. Die Flugkontrolleure in Houston wussten immer detailliert über den Zustand des Raumschiffes Bescheid, weil ständig Messwerte per Funk übertragen wurden. Auf dieser Basis konnten sie Berechnungen anstellen und Entscheidungen treffen. Beim Kampf gegen Corona sind Daten ebenfalls entscheidend, etwa über gemeldete Infektionen. Allerdings sind die Unsicherheiten jetzt größer, weil sich die Lage ständig verändert.
Schnell kreative Lösungen finden
Improvisation und Schnelligkeit sind deshalb in beiden Krisenszenarien wichtig. Die Bodenmannschaft der NASA musste ständig auf neue Situationen reagieren, kreative Lösungen finden. Etwa als die passenden Kohlendioxid-Filter für die Atemluft an Bord knapp wurden: Houston schickte per Funk eine Bastelanleitung, so dass sich die Astronauten mit Bordmitteln behelfen konnten. Dafür wurden jeweils alle verfügbaren Fachleute zu Rate gezogen. Jedoch haben die Flugkontrolleure in Houston auch selbst die Entscheidungen getroffen, während bei der Bekämpfung der Pandemie Politiker entscheiden, nicht die Experten.
Beim Vergleich der beiden Krisen werden aber auch Unterschiede deutlich. "Apollo 13" war insgesamt nur sechs Tage unterwegs, die Corona-Pandemie beschäftigt die Welt dagegen schon seit mehr als drei Monaten. Und sie betrifft nahezu alle Bereiche der Gesellschaft.
Wir sind keine Astronauten
Dazu kommt eine ernüchternde Erkenntnis: Wir sind keine Astronauten. Die "Apollo13"-Mannschaft wurde auf alle denkbaren Notfälle vorbereitet, wie Astronautinnen und Astronauten heutzutage auch. Das Training für eine Mission an Bord der Raumstation ISS besteht unter anderem darin, ein simuliertes Feuer an Bord zu löschen oder ein vermutetes Leck in der Außenhülle zu schließen. Dadurch übt die Crew immer wieder Routinen, die sie in einem echten Notfall abrufen kann, selbst wenn sich dieser von allen bekannten Szenarien unterscheidet.
Das gibt den Astronauten die Kontrolle über eine Situation und verhindert, dass sie in Panik geraten. Das ständige Proben aller möglichen Katastrophen würde mit einer gesamten Gesellschaft so nicht funktionieren.
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