
55. Jahrestag in Brasilien Gericht verbietet Militärputsch-Feiern
Stand: 30.03.2019 03:11 Uhr
Während der Militärdiktatur in Brasilien wurden Menschen getötet und gefoltert. Zum 55. Jahrestag des Militärputsches soll es nach dem Willen des rechtsextremen Präsidenten Feiern geben. Doch ein Gericht verbot sie.
Kurz vor dem Jahrestag des Militärputsches in Brasilien vor 55 Jahren hat ein Gericht die umstrittenen Feierlichkeiten untersagt. Die für Sonntag geplanten Veranstaltungen in den Kasernen des südamerikanischen Landes müssten abgesagt werden, entschied Richterin Ivani Silva da Luz. Sie verstoßen demnach gegen den Grundsatz der Rechtmäßigkeit, da sie nicht per Gesetz geregelt wurden.
"Angemessene Feierlichkeiten"
Der rechtsextreme Präsident des Landes, Jair Bolsonaro, hatte am Montag die Streitkräfte angewiesen, dem Sturz von Präsident Joao Goulart durch das Militär im Jahr 1964 mit "angemessenen Feierlichkeiten" zu gedenken. Er war dafür massiv kritisiert worden und ruderte später etwas zurück: Es gehe nicht um eine unkritische Feier, "sondern darum, sich zu erinnern, zu überprüfen, zu sehen, was falsch und was richtig war. Und das dann für das Wohl Brasiliens in der Zukunft zu nutzen."
Der Präsident ist selbst ein Ex-Offizier und hat in der Vergangenheit immer wieder seine Sympathie für die Militärdiktatur bekundet, die dem Putsch folgte. Rund die Hälfte seiner Minister sind Militärs.
In Brasilien ist das Lob der Diktatur "salonfähig"
Am 31. März 1964 hatten die Streitkräfte gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Joao Goulart geputscht. Goularts Plan einer moderaten Umverteilungspolitik war den konservativen Eliten, aber auch internationalen Unternehmen ein Dorn im Auge. Die 21 Jahre dauernde Militärdiktatur war von zahlreichen Menschenrechtsverletzungen geprägt.
Darüber wüssten die meisten Brasilianer fast nichts, sagt Oliver Stuenkel von der Getulio-Vargas-Stiftung. In Brasilien sei es - anders als in Argentinien oder Chile - "salonfähig" zu sagen, dass die Militärdiktatur eigentlich gar nicht so schlimm gewesen sei. Das sei darauf zurückzuführen, "dass sich die Gesellschaft nie mit sich selbst auseinander gesetzt hat", so Stuenkel.
Amnestie garantiert noch immer Straffreiheit
Zwar liegt seit 2014 der Bericht einer Wahrheitskommission vor. Darin ist von 400 Ermordeten und Verschwundenen und etwa 2000 Folteropfern die Rede. Aktuelle Schätzungen gehen jedoch von weit mehr Verbrechen aus, beispielsweise von Massakern an Kleinbauern und Indigenen, die Infrastrukturprojekten am Amazonas im Wege standen. Zur Rechenschaft gezogen wurde bis heute niemand. Ein Amnestiegesetz garantiert den Militärs nach wie vor Straffreiheit.
Mit Informationen von Anne Herrberg, ARD-Studio Buenos Aires
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