
Kampf gegen Lebensmittelverschwendung Chinas "Operation leerer Teller"
Stand: 17.08.2020 11:15 Uhr
Viele Gerichte auf noch mehr Tellern und Schälchen - üppiges Essen gehört in China zur Tradition. Die Kehrseite: Vieles davon landet am Ende im Müll. Dieser Verschwendung hat die Staatsführung nun den Kampf angesagt.
Von Steffen Wurzel, ARD-Studio Shanghai
Beim Essen gehen in China gilt traditionell die ungeschriebene Regel "viel hilft viel". Sitzen etwa im Restaurant vier Leute am Tisch, werden gerne mal sechs bis acht Gerichte bestellt. Die werden dann in die Mitte gestellt und geteilt. Logisch, dass bei solchen Mengen nicht immer alles aufgegessen wird und stattdessen vieles in der Mülltonne landet.
"Das ist tief verwurzelt in der chinesischen Kultur", sagt Dong Li Gang, der in einem Grill-Restaurant im Westen von Shanghai arbeitet. "Als eine große landwirtschaftlich geprägte Nation ist es tatsächlich kulturell bedingt, dass auch mal Lebensmittel verschwendet werden. Als Gastgeber würde man bloßgestellt, wenn die Gäste alles restlos aufessen."
"Schockierend und verwerflich"
Doch die Staats- und Parteiführung will den 1,4 Milliarden Menschen in China das Verschwenden von Lebensmitteln nun abgewöhnen. "Der Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas, Xi Jinping, hat kürzlich wichtige Instruktionen zum Kampf gegen Lebensmittelverschwendung herausgegeben," verkündete ein Sprecher im staatlichen Fernsehsender CCTV vor einigen Tagen im typisch kommunistisch anmutenden Tonfall. Lebensmittelverschwendung sei schockierend und verwerflich, wurde Xi dort zitiert.
Die staatlichen Medien in China haben nach dieser Ansage des Staatschefs eine großangelegte Kampagne gestartet. So rufen öffentliche Poster und Online-Kampagnen zum sparsamen Essen-Bestellen auf. Es wird auch vorgeschlagen, bei Restaurantbesuchen künftig ein Gericht weniger zu bestellen als Menschen am Tisch sitzen.
Verschwendung wird zum Thema
Dong Li Gang aus dem Grill-Restaurant in Shanghai sagt, moralisch gesehen sei das eine gute Idee. "Lebensmittel nicht wegzuwerfen, das ist gut - da sind wir uns einig." Schwierig sei allerdings die Umsetzung. "Das ist einfach nicht realistisch. Ich kann doch nicht begrenzen, wie viel ein Kunde bestellen will. Wenn jemand zehn Fleischspieße bestellen will, kann ich doch nicht sagen: 'Hey, bestell mal lieber nur fünf. Oder bestell lieber nur einen Drink statt drei, ein Schälchen Reis statt zwei.' Wir wissen doch nicht, wie viel unsere Gäste essen können."
Eines hat die staatliche Kampagne zumindest erreicht: Plötzlich wird in China übers Thema Lebensmittelverschwendung gesprochen. In einem Restaurant im zentralchinesischen Changsha wurden Gäste am Eingang sogar spaßeshalber gewogen, um auszurechnen, wie viel sie bestellen und essen sollten.
Harte wirtschaftliche Gründe
Hinter der Kampagne stecken auch handfeste wirtschaftliche Gründe: Zwar produziert China den größten Teil der benötigten Lebensmittel selbst, aber in bestimmten Bereichen ist das Land auf Importe angewiesen, bei Sojabohnen zum Beispiel. Nach Medienberichten kommt auch bis zu einem Drittel des Getreides aus dem Ausland. Diese Abhängigkeit von Lebensmittelimporten will die chinesische Staatsführung reduzieren.
Dieses Jahr gab es im Frühsommer außerdem heftige Unwetter in China. Vor allem im Süden und Osten der Volksrepublik wurden landwirtschaftliche Flächen zerstört. Die Preise für Lebensmittel sind zuletzt deutlich gestiegen.
Operation leerer Teller: Chinas Kampf gegen Lebensmittel-Verschwendung
Steffen Wurzel, ARD Shanghai
17.08.2020 10:29 Uhr
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