
Corona-Krise in New York Flucht aus Big Apple
Stand: 23.07.2020 12:53 Uhr
Manhattan ist das Herz von New York. Doch jetzt stehen in dem Stadtteil viele Wohnungen leer - und nicht nur dort. Tausende Einwohner sind geflüchtet: Vor Corona, Angst und Arbeitslosigkeit.
Von Antje Passenheim, ARD-Studio New York
Sie prägen das Straßenbild von New York: Umzugswagen. Überall stapeln sich Kisten und Möbel auf den Straßen. Big Apple packt ein: Nichts wie raus, denken immer mehr Bewohner, seit sich Corona in der Stadt breitgemacht hat.
Susanne Bertram, Personal- und Verwaltungs-Chefin eines Büros in der Mitte Manhattans, hat die Stadt mit ihrer Familie bereits im März verlassen: "Wir sind weggezogen, weil uns relativ schnell klar geworden ist, dass hier nicht beide Elternteile von zu Hause aus arbeiten können."
Zumindest nicht in einer Wohnung mit drei Kindern, einer Kinderbetreuung und nur zwei Schlafzimmern, sagt die gebürtige Dortmunderin. Auch sei die Stadt nicht mehr, wie sie mal war. Bertram sagt: "Mit Kindern ist in New York momentan einfach nicht viel möglich." Nicht einmal Spielplätze könne man noch besuchen. Zu groß sei die Sorge, dass man sich dort anstecken könne.
Flucht nach Long Island
Exodus aus dem Big Apple: Nach Analysen von Telefondaten haben 420.000 New Yorker von März bis Mai die Stadt verlassen. Im Süden von Manhattan stehen fünf Prozent der Apartments leer, in den reicheren Vierteln fast die Hälfte aller Wohnungen. Viele Wohlhabende sind von der "Upper East Side" oder aus "Soho" direkt in die "Hamptons" geflohen - eine Region im Osten von Long Island.
Auch viele jüngere Menschen sind nicht mehr da. Sie zogen weg, weil sie sich die teuren Wohnungen in Manhattan nicht mehr leisten konnten: Studenten, Künstler und Angestellte in der Gastronomie, die über Nacht arbeitslos wurden.
Viel zu tun hat dagegen Alison Bernstein, Gründerin der Wohnungsvermittlungs-Agentur "Urban Jungle Group": "Unser Geschäft boomt!" Die Agentur verzeichne seit Beginn der Pandemie ein Auftragsplus von 350 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Bernstein vermittelt New Yorkern normalerweise das richtige Apartment im richtigen Viertel. "Jetzt wollen einfach alle nur noch raus", sagt sie und erklärt: "Du lebst in der Stadt, weil du in der Stadt sein willst. Aber wenn alles wegbricht - Lebenskultur, Restaurants, Parks - wird es extrem schwierig."
Welle von Zwangsräumungen droht
Viele weitere New Yorker könnten in den kommenden Wochen unfreiwillig gehen. "Für Arbeitslose laufen die Corona-Hilfen aus", sagt Stijn Van Nieuwerburgh von der Columbia University. Gemeint ist das Arbeitslosengeld.
Der Wirtschaftsexperte führt aus: "Es wurde mit 600 Dollar pro Woche aufgestockt. Wenn es wegfällt, stoßen viele Haushalte an ihre Grenzen." Van Nieuwerburgh befürchtet, dass es zu einer Welle von Zwangsräumungen kommen könnte.
"Die Mieten sind bereits um rund sieben Prozent gefallen", analysiert Immobilienexperte Jonathan Miller und resümiert: "Es gibt einfach weniger Mieter hier - zumindest so lange, bis die Krise vorüber ist." Ob die, die gegangen sind, danach aber tatsächlich wiederkommen, ist fraglich.
Mutter und Verwaltungs-Chefin Bertram glaubt es kaum: "Das Leben ist jetzt wesentlich einfacher und New York für viele fremder geworden." Doch Optimisten freuen sich: Sollten die Preise tatsächlich weiter fallen, könnte das viel Neues anziehen.
Bloß weg aus Big Apple - New Yorker flüchten nach Corona-Krise aus ihrer Stadt
Antje Passenheim, ARD New York
23.07.2020 11:46 Uhr
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