
Coronavirus Neue Zählweise - viel mehr Infizierte
Stand: 13.02.2020 13:18 Uhr
Die chinesischen Behörden haben ihre Methoden zur Erfassung des Coronavirus überarbeitet - offiziell verzehnfachte sich dadurch die Zahl neuer Erkrankungen. Die Krise kostet nun auch einen hochrangigen Funktionär das Amt.
Nach einer Umstellung der Erfassungsmethode hat sich die Zahl statistisch erfasster Infektionen mit dem Coronavirus in China gegenüber dem Vortag nahezu verzehnfacht. Wie das chinesische Staatsfernsehen berichtete, wurden in der besonders schwer betroffenen Provinz Hubei 14.840 Fälle neu registriert. Am Vortag waren in Hubei noch 1638 neue Infektionen gemeldet worden.
Auch die Zahl der nachgewiesenen Todesopfer durch das Coronavirus stieg in der Provinz um mehr als das Doppelte. 242 neue Todesopfer wurden registriert, womit die Gesamtzahl der Toten in der Provinz seit Ausbruch der Krankheit bei 1310 liegt. Am Vortag hatten die Behörden 97 Todesopfer gemeldet.
China räumt höhere Zahlen von Corona-Infizierten ein
tagesschau 20:00 Uhr, 13.02.2020, Tamara Anthony, ARD Peking
"Überarbeitete" Diagnoseergebnisse
Wie die Gesundheitskommission der Provinz Hubei mitteilte, seien die Diagnoseergebnisse nach einer Untersuchung "überarbeitet" worden. Patienten seien gemäß der neuen Klassifikation hinzugefügt worden. Demnach würden nun auch Fälle "klinischer Diagnosen" in die Zahl der bestätigten Diagnosen aufgenommen.
Wie die Zeitung "China Daily" unter Berufung auf chinesische Experten berichtete, können Ärzte jetzt eine offizielle Diagnose stellen, die auf einer Kombination von Faktoren wie Lungenbildern, dem physischen Zustand und epidemiologischer Vorgeschichte beruht. Bislang war demnach nur ein Testverfahren über Nukleinsäuren zugelassen, das aber viele eindeutige Erkrankungen erst nach drei oder vier Tests erkannt habe.
Anfang der Woche hatte es zunehmend Kritik an einer Änderung der Statistik-Bestimmungen gegeben, derzufolge nicht mehr diejenigen Patienten gezählt werden sollten, die zwar positiv auf das Coronavirus getestet sind, aber keine klinischen Symptome zeigen.
Hohe Dunkelziffer
Generell vermuten Experten eine sehr hohe Dunkelziffer von Erkrankungen. So sind die Möglichkeiten begrenzt, auf das neue Virus zu testen. Ferner erscheint das sich wandelnde Berichterstattungssystem Chinas mit unterschiedlichen Definitionen der einzelnen Fälle besonders für lokale Stellen kompliziert. Die täglich berichteten Zahlen repräsentieren laut Experten somit eher die Fähigkeiten, Fälle zu identifizieren und zu melden, als das wirkliche Ausmaß der Epidemie.
Landesweit lagen zunächst keine neuen Angaben über die Verbreitung des Virus vor. Allein durch die neuen Infektionen in Hubei stieg die Gesamtzahl der Infektionen auf dem chinesischen Festland aber auf über 59.000.
KP-Chef von Provinz Hubei abgesetzt
Der Umgang der Behörden mit dem Ausbruch des Coronavirus hat nun auch politische Konsequenzen auf hoher Ebene: Der Parteisekretär von Hubei, Jiang Chaoliang, wurde abgesetzt und durch den bisherigen Bürgermeister von Shanghai, Ying Yong, ersetzt. Am Dienstag waren bereits die beiden ranghöchsten Vertreter der Gesundheitskommission von Hubei entlassen worden.
Der Ausbruch des Coronavirus und die Reaktion staatlicher Behörden darauf hatte in der Bevölkerung für zunehmende Wut und ungewöhnlich breite Kritik gesorgt. Insbesondere der Tod des Arztes Li Wenliang, der frühzeitig vor dem Ausbruch des Coronavirus gewarnt hatte, aber laut Berichten gezwungen wurde, diese "Gerüchte" nicht weiter zu verbreiten, löste vergangene Woche landesweite Bestürzung und Anteilnahme aus. Der 34-Jährige starb, weil er sich mit dem Virus angesteckt hatte.
Die Lage auf Kreuzfahrtschiffen
Auch an Bord des unter Quarantäne gestellten Kreuzfahrtschiffes im japanischen Yokohama wurde bei weiteren 44 Menschen eine Infizierung mit dem neuen Coronavirus festgestellt. Das gab das japanische Gesundheitsministerium bekannt. Damit erhöht sich die Zahl der Infizierten an Bord auf 218. An Bord des Kreuzfahrtschiffes sind auch zehn deutsche Staatsangehörige. Die Quarantäne gilt noch bis zum 19. Februar. In Japan gab es nach Angaben des Gesundheitsministeriums auch den ersten Todesfall. Es handle sich um eine über 80 Jahre alte Frau, die in der an Tokio grenzenden Präfektur Kanagawa gewohnt habe.
Die Odyssee der "MS Westerdam" fand inzwischen ein Ende. Das Kreuzfahrtschiff hat in der kambodschanischen Hafenstadt Sihanoukville angelegt. Obwohl keine Passagiere an Bord an dem Virus erkrankt sind, wurde das Schiff von Japan, Taiwan, Guam, den Philippinen und Thailand abgewiesen und kreuzte zwei Wochen auf See.
16 Fälle in Deutschland
Weltweit sind außerhalb des chinesischen Festlands mittlerweile mehr als 500 Infektionen bestätigt, davon 16 in Deutschland. Vierzehn Fälle stehen in Zusammenhang mit dem bayerischen Autozulieferer Webasto. Eine chinesische Mitarbeiterin hatte den Erreger bei einer Dienstreise eingeschleppt.
Die beiden jüngsten Fälle in Bayern waren am Dienstagabend bekannt geworden. Es handelt sich um einen 49-jährigen Webasto-Mitarbeiter und ein Familienmitglied eines anderen Mitarbeiters. Webasto öffnete nach zweiwöchiger Schließung am Mittwoch wieder seine Firmenzentrale. Zudem war das Virus bei zwei Passagieren eines Rückholfluges der Bundeswehr von Wuhan nach Frankfurt/Main festgestellt worden.
Beratungen in Brüssel
Die Gesundheitsminister der EU kommen heute wegen des neuartigen Coronavirus zu einem Sondertreffen in Brüssel zusammen. Sie beraten dabei über mögliche einheitliche Einreisekontrollen im Falle einer weiteren Ausbreitung des Erregers sowie über die beschleunigte Entwicklung eines Impfstoffes.
Auf der Agenda steht auch die Frage, wie die EU mit möglichen Engpässen bei Medikamenten wegen Produktionsunterbrechungen bei Pharmaherstellern in China umgeht.
Bei der Weltgesundheitsorganisation WHO zeigte man sich einem Expertentreffen in Genf verhalten zuversichtlich, dass erste Tests mit einem noch zu entwickelnden Medikament gegen das Virus möglicherweise schon in drei bis vier Monaten beginnen können.
Zahl der Corona-Infizierten sprunghaft gestiegen
Axel Dorloff, ARD Peking
13.02.2020 06:18 Uhr
Mit Informationen von Axel Dorloff, ARD-Studio Peking
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