
Corona-Krise Italien erweitert "rote Zone" im Norden
Stand: 08.03.2020 08:12 Uhr
Italien riegelt im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus die Region Lombardei und 14 Provinzen ab. Ministerpräsident Conte sagte, man gehe mit "klarem Kopf und Mut" vor.
Von Jörg Seisselberg, ARD-Studio Rom
Mit ernstem Gesicht trat Ministerpräsident Giuseppe Conte in der Nacht vor die Medien. Er verkündete die bislang drastischsten Maßnahmen der Regierung im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Große Teile Norditaliens werden weitgehend abgeriegelt, die Aus- und Einreise ist bis 3. April nur noch aus dringenden, zum Beispiel beruflichen Gründen erlaubt.
"Wir wollen die Gesundheit der Bürger garantieren. Wir sind uns bewusst, dass all diese Maßnahmen Unannehmlichkeiten bereiten und persönliche Opfer erfordern. Aber, dies ist jetzt der Moment der Selbstverantwortung. Wir müssen verstehen, dass wir uns alle an diese Maßnahmen halten müssen. Wir dürfen nicht glauben, schlau zu sein und gegen diese Maßnahmen angehen. Wir müssen unsere Gesundheit und die unserer Liebsten schützen", erklärt Conte.
Rund 16 Millionen Menschen betroffen
Betroffen von der per Regierungsdekret beschlossenen Maßnahme sind die gesamte Region Lombardei mit der Millionenmetropole Mailand sowie 14 Provinzen in Norditalien: Modena, Parma, Piacenza, Reggio Emilia, Rimini, Pesaro Urbino, Alessandria, Asti, Novara, Verbano Cusio Ossola, Vercelli, Padua, Treviso und Venedig.
Italien riegelt große Teile im Norden weitgehend ab
tagesschau 13:15 Uhr, 08.03.2020, Lisa Weiß, ARD Rom
Alle diese Gebiete werden nicht vollständig abgeriegelt, der Flug- und der Bahnverkehr nicht komplett gestoppt. Die Polizei aber kann Menschen anhalten und sie nach ihrem Grund fragen, warum sie sich aus den betroffenen Zonen entfernen wollen, und sie aufgrund des jetzt unterzeichneten Regierungsdekrets zwingen zu bleiben.
Bis zum 3. April sind zudem in ganz Italien alle Theater und Kinos geschlossen, öffentlichen Veranstaltungen bis auf Weiteres untersagt.
Hintergrund des von der Regierung beschlossenen drastischen Schrittes ist, dass die Zahl der Coronavirus-Fälle in Italien weiter rasant steigt. Nach Angaben des Zivilschutzes sind mittlerweile mehr als 5000 Menschen betroffen, innerhalb von 24 Stunden kamen über 1000 neue Fälle dazu. Über 230 Menschen sind in Italien an den Folgen der Viruserkrankung gestorben.
Conte betonte in seiner Pressekonferenz: "Wir gehen mit klarem Kopf und mit Mut vor. Auch mit Standfestigkeit und, wie diese Maßnahmen beweisen, mit Entschlossenheit. Wir haben grundsätzlich zwei Ziele: Die Ausbreitung der Infektionen zu begrenzen - wir können uns nicht erlauben, dass das passiert. Gleichzeitig müssen wir so vorgehen, dass eine Überlastung des Krankenhauseinrichtungen vermieden wird."
Medizinisches Personal wird aufgestockt
Bereits jetzt arbeiten viele Gesundheitseinrichtungen in den betroffenen Gebieten Italiens am Limit. Es gibt mehrere Fälle, in denen sich auch Ärzte und Krankenpfleger mit dem Virus infiziert haben, beziehungsweise vorbeugend unter Quarantäne gestellt wurden. Die Regierung hat aufgrund der Notsituation beschlossen, rund 20.000 neue Ärzte, Pfleger und andere Hilfskräfte in Krankenhäusern und Gesundheitsämtern einzustellen.
Für alle Italiener, sagte Conte, gebe es ab sofort die dringende Empfehlung, bei bereits geringem Fieber von mehr als 37,5 Grad Körpertemperatur zu Hause zu bleiben und telefonisch einen Arzt zu kontaktieren. Während Schulen, Kindergärten und Universitäten im gesamten Land weiter geschlossen sind, sieht das Regierungsdekret vor, dass beispielsweise Bars und Restaurants bis 18 Uhr offen bleiben dürfen. Die Besitzer sollen aber darauf achten, dass ein Abstand von mindestens einem Meter zwischen den Menschen eingehalten wird, um eine Übertragung von Infektionen zu verhindern.
Per Zug Richtung Süditalien
Gerüchte über die bevorstehende, weitgehende Abriegelung Norditaliens durch die Regierung waren bereits am späten Abend durchgesickert. Zahlreiche Menschen haben daraufhin in der Nacht laut Medienberichten in Mailand Züge gestürmt, die aus den betroffenen Gebieten herausfuhren, um sich zum Beispiel Richtung Süditalien auf den Weg zu machen.
Italiens Regierung weitet Corona-Sperrgebiete drastisch aus
Jörg Seisselberg, ARD Rom
08.03.2020 07:05 Uhr
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