
Coronavirus in China Leichensäcke und Sterbende
Stand: 06.02.2020 07:37 Uhr
Der chinesische Blogger Fang Bin hat dramatische Szenen vor und in Krankenhäusern in Wuhan aufgenommen. Die Bilder wecken Zweifel, ob die Behörden die Lage so unter Kontrolle haben, wie sie sagen.
Von Axel Dorloff, ARD-Studio Peking
Ein Leichenwagen vor einem Krankenhaus in Wuhan. Der chinesische Blogger Fang Bin zählt die gelben und orangefarbenen Leichensäcke: Es sind acht, die gestapelt übereinander liegen. Während er alles mit dem Handy filmt, geht er weiter ins Krankenhaus.
Ärzte und medizinisches Personal in Ganzkörper-Schutzanzügen kommen ihm entgegen. Ein überfülltes Zimmer, ein schluchzender Mann vor einer leblosen Person. "Wer ist dieser Mann?", fragt Fang Bin. "Es ist mein Vater", antwortet der Mann. "Es ist aus, er kann nicht mehr atmen. Er gibt kein Lebenszeichen mehr von sich." Fang Bin dreht sich weg. "Es ist schon wieder einer mehr gestorben", sagt er und verlässt das Zimmer.
Szenen, die das Staatsfernsehen nicht zeigt
Es sind Szenen wie diese, die der Blogger Fang Bin Anfang Februar in vier Krankenhäusern in Wuhan gedreht hat. In der Stadt, wo das neuartige Coronavirus ausgebrochen ist. Fang Bin will mit seinen Videos erzählen, was in Wuhan passiert. In einem Facetime-Interview sagt er:
"Die Nachrichten, die wir bekommen, erfassen nicht die wirkliche Situation in ganz China. Die Lungenkrankheit in Wuhan ist ein Gesundheitsnotstand, der die ganze Welt betrifft. Die Krankheit breitet sich aus, viele Länder sind davon betroffen. Daher ist es gut für alle, wenn ich über die Situation vor Ort berichte."
Am Abend nach seinen Filmaufnahmen in den Krankenhäusern sitzt Fang Bin in seiner Wohnung in Wuhan. Dann klopfen mehrere Männer in Schutzanzügen an seine Tür, angeblich vom Gesundheitsamt. Sie verschaffen sich Zutritt zu seiner Wohnung, nehmen ihm Laptop und Handy weg, bringen ihn zur Polizeistation. Er wird verdächtigt, ein vom Ausland bezahlter Staatsfeind zu sein.
"Sie werfen mir vor, ich hätte von ausländischen Anti-China-Kräften Geld genommen, dafür sei ich zu so gefährlichen Orten wie den Krankenhäusern gefahren. Wenn das stimme, würde ich verurteilt."
Corona-Virus: Der Blick hinter die offizielle Berichterstattung in China
tagesthemen 21:35 Uhr, 04.02.2020, Tamara Anthony, ARD Peking
Staatsmacht kann Verbreitung nicht verhindern
Die Videoclips von Fang Bin haben sich zu dieser Zeit längst im Internet verbreitet, auch auf Youtube und Twitter. Hier haben die chinesische Behörden keinen Löschzugriff. Es ist ein Gegengewicht zu den Bildern, die von den chinesischen Staatsmedien verbreitet werden. Dort sind es meist mehrere Ärzte und Krankenpfleger, die sich um einen Patienten kümmern. Neu erbaute Krankenhäuser, frisches medizinisches Personal, das gerade in Wuhan landet.
Aber die Realität des Bloggers Fang Bin ist eine andere. Mehr als zwei Drittel der bestätigten Krankheitsfälle in China werden aus der Provinz Hubei gemeldet, in der Wuhan liegt. Über 95 Prozent der Todesfälle in China sind Patienten aus Hubei. Trotzdem vermittelt die chinesische Regierung das Bild, man habe die Situation unter Kontrolle. Fang Bin zweifelt.
"Ich kommentiere das nicht, das ist Sache der Regierung. Ich erzähle nur was ich sehe. Ich bin kein Funktionär, sondern einfacher Bürger. Sie können meine Videos angucken, um zu sehen, wie ernst es ist."
Der chinesische Blogger Fang Bin ist vorerst wieder frei gekommen. 14 Tage steht er jetzt unter Quarantäne in seiner Wohnung in Wuhan. Für heute haben sich die Sicherheitsbehörden bei ihm wieder angemeldet.
Coronavirus in Wuhan: der Blogger und die Staatsmacht
Axel Dorloff, ARD Peking
06.02.2020 06:29 Uhr
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