
Ein Jahr nach Unglück auf Madeira "Der Bus wurde immer schneller"
Stand: 17.04.2020 07:09 Uhr
Vor einem Jahr stürzte auf Madeira ein Bus mit deutschen Touristen eine Böschung hinunter. 29 Menschen starben. Die Staatsanwaltschaft macht den Busfahrer dafür verantwortlich. Überlebende schildern, wie sie den Unfall erlebt haben.
Von Oliver Neuroth, ARD-Studio Madrid
Brigitte und Heinz Garden aus Duisburg denken nur ungern zurück an den 17. April 2019. Sie hatten zusammen mit rund 50 anderen Urlaubern einen Ausflug in die Inselhauptstadt Funchal gebucht. Ein Reisebus holte die Gruppe nachmittags am Hotel im Ort Canico ab.
"Schon nach wenigen Sekunden hat man gemerkt, dass da etwas nicht stimmt. Der Bus wurde immer schneller, geriet ins Schwanken, hat eine Mauer rechts gerammt. Er wurde schneller, schneller, schneller und man merkte: Der ist außer Kontrolle", sagt Heinz Garden.
Acht Meter in die Tiefe gestürzt
Der Bus rutschte einen Hang hinunter, rund acht Meter in die Tiefe und überschlug sich dabei mehrfach. Passagiere seien wie Papier durch den Bus geschleudert worden, erzählte Brigitte Garden anschließend.
Ihr Mann und sie saßen auf den hinteren Plätzen, duckten sich, rollten sich wie Babys zusammen. Und das rettete ihnen offenbar das Leben. Die beiden wurden nur leicht verletzt.
29 Tote, 27 Verletzte
Für 28 andere deutsche Touristen kam jede Hilfe zu spät, sie starben an der Unfallstelle. Weitere 28 Menschen wurden verletzt, einer von ihnen starb später im Krankenhaus. Der Busfahrer überlebte.
Portugals Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa sprach allen Betroffenen sein Beileid aus. Er sagte einem Team der ARD: "Wir zusammen, Deutschland und Portugal, haben das gesehen wie ein Schock. Ein besonderer Schock. Furchtbar. Eine Tragödie."
Maas reiste an Unglücksort
Am Tag nach dieser Tragödie, an Karfreitag, schickte die Bundesregierung Außenminister Maas nach Madeira. Er nannte das Unglück ein "schreckliches Ereignis. Ich finde, wir können in Deutschland nicht nur zuschauen und uns auf Ostern freuen. Und deshalb ist es mir ein besonderes Anliegen gewesen, hier herzukommen und zum Ausdruck zu bringen, dass die Verletzten und die Angehörigen nicht alleine sind."
Ilse Berardo war eine der ersten, die sich um Hinterbliebene kümmerte. Die deutsche Pfarrerin auf Madeira half als Übersetzerin, begleitete Angehörige im Krankenhaus und feierte mit ihnen einen ökumenischen Gottesdienst. "Ich habe Tränen gesehen, ich habe Verzweiflung gesehen, stille Verzweiflung, weil Menschen ihren Partner verloren haben, ihren Ehemann verloren haben."
Die Frage nach der Ursache
Die drängendste Frage nach dem Unglück war für viele die nach dem Warum. Wie konnte der Fahrer die Kontrolle über den Bus verlieren? Zunächst deutete alles auf einen Defekt der Bremsen hin. Dafür sprachen zum Beispiel Schleifspuren des Busses an einer Mauer. Der Fahrer soll versucht haben, den Bus so abzubremsen.
Staatsanwaltschaft macht Fahrer verantwortlich
Doch Ende vergangenen Jahres stellte sich heraus, dass der Bus technisch in Ordnung war. Zu diesem Ergebnis kam eine Untersuchung der Universität Porto, die die Staatsanwaltschaft beauftragt hatte. Diese macht nun den Fahrer für das Unglück verantwortlich und hat ihn angeklagt. Der Vorwurf: Fahrlässige Tötung in 29 Fällen und fahrlässige Körperverletzung in drei Fällen. Der Prozess ist noch nicht eröffnet.
Brigitte und Heinz Garden verfolgen die Entwicklungen mit großem Interesse. Interviews möchten sie keine mehr geben, erzählen die Duisburger am Telefon. Sie wollen den Tag heute ruhig begehen, die Erinnerungen aufarbeiten und das Erlebte dieses Madeira-Urlaubs so gut es geht verarbeiten.
Heute vor einem Jahr: 29 Deutsche sterben bei Busunglück auf Madeira
Oliver Neuroth, ARD Madrid
17.04.2020 06:23 Uhr
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