
Finanzgipfel in Brüssel Keine Einigung zum EU-Haushalt
Stand: 21.02.2020 20:39 Uhr
Auch ein Vermittlungsversuch von Deutschland und Frankreich hat nichts mehr gebracht: Der Sondergipfel hat keine Lösung im Haushaltsstreit der Europäischen Union gebracht. Das Treffen wurde ohne Einigung beendet.
Die 27 EU-Staaten haben auf dem EU-Gipfel in Brüssel keine Einigung auf den Finanzrahmen für die Staatengemeinschaft bis zum Jahr 2027 gefunden. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, es habe sich gezeigt, dass die Differenzen der 27 EU-Staaten zu groß seien, um jetzt noch weiter zu verhandeln. Deshalb habe man den Gipfel abgebrochen. Über den Zeitpunkt der Fortsetzung werde EU-Ratspräsident Charles Michel entscheiden.
Merkel: "Noch viel Arbeit"
"Es stimmt, dass noch viel Arbeit zu leisten ist", erklärte Merkel. Das Europaparlament habe einen sehr ambitionierten Vorschlag gemacht, der recht weit von dem der EU-Kommission entfernt gewesen sei. Andere wollten deutlich weniger ausgeben. Zudem sei man sich einig, dass man in Modernisierung investieren wolle, viele Länder brauchten Geld für die Regionalförderung und die Förderung der Landwirtschaft sei ebenfalls wichtig. "Das alles muss irgendwie dann noch den mathematischen Grundrechenarten entsprechen. Und um das zusammenzubringen, braucht man einfach noch etwas Zeit."
Streit über Nachkommastellen
Michel war am Donnerstag mit einem Vorschlag von gut einer Billion Euro in den Gipfel gegangen. Aus diversen Gründen stieß er aber bei Merkel und anderen Teilnehmern auf Ablehnung. Die ganze Nacht zum Freitag beriet Michel dann in Einzelgesprächen mit den 27 EU-Staaten.
Dynamik entstand nach Angaben von Diplomaten erst, nachdem Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron zusammen mit den übrigen Nettozahlern eine gemeinsame Position absteckten - das sind die EU-Länder, die mehr in den Haushalt einzahlen, als sie herausbekommen. Michel ließ daraufhin neue Berechnungen zu einem Kompromisspaket anstellen.
Verhandlungen zum EU-Haushalt vertagt
tagesthemen 21:45 Uhr, 21.02.2020, Michael Grytz, ARD Brüssel
Dabei ging es um scheinbar hauchdünne Unterschiede und Kommastellen: Michel hatte ursprünglich vorgeschlagen, 1,074 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung in den Haushaltsrahmen einzubringen. Das sind knapp 1095 Milliarden Euro. Nach der Neuberechnung waren es einem Arbeitspapier zufolge noch 1,069 Prozent.
Die wichtigsten Nettozahler wollten allerdings eigentlich nicht mehr als 1,0 Prozent der Wirtschaftsleistung geben. Das Zugeständnis für sie steckte in anderen Zahlen: Die Rabattbeträge von 2020 für die fünf Nettozahlerländer Deutschland, Dänemark, Schweden, Österreich und die Niederlande sollen erhalten bleiben. Österreich bekäme 100 Millionen Euro zusätzlich.
Empfängerländer wollen mehr Geld
Das zuletzt vorgeschlagene Volumen liegt aber sehr deutlich unter den Forderungen der 17 wichtigsten Empfängerländer von EU-Hilfen. Sie verlangen nach Angaben des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban 1,3 Prozent der Wirtschaftsleistung. Der Unterschied zwischen 1,069 und 1,3 Prozent sind mehr als 200 Milliarden Euro. Die Distanz sei sehr groß, sagte Orban. Ein weiterer Gipfel werde "sehr wahrscheinlich" nötig, hatte er schon am Nachmittag gesagt.
Keine Einigung zu Rechtsstaatsklausel
Völlig ungeklärt war ein weiterer Streitpunkt: Die Auszahlung von EU-Hilfen sollen künftig gekoppelt werden an die Rechtsstaatlichkeit in den Empfängerländern.
Ratschef Michel hatte vor dem Gipfel den dafür vorgesehenen Mechanismus etwas entschärft und war damit den potenziell betroffenen Ländern Polen und Ungarn entgegengekommen. Auch das traf bei Merkel auf Kritik. Daraufhin war im neuen Arbeitspapier die Rede von geplanten "Klarstellungen" bei dem Mechanismus. Orban sagte indes, das werde erst ganz am Ende geklärt.
Verhärtete Fronten nach gescheitertem EU-Haushaltsgipfel
Ralph Sina, ARD Brüssel
22.02.2020 09:59 Uhr
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