
Proteste in Hongkong Gegenseitige Vorwürfe nach Krawallen
Stand: 22.07.2019 17:27 Uhr
China spricht von "radikalen Demonstranten": Das Außenministerium kritisiert die Krawalle in Hongkong scharf. Die Aktivisten wollen klären, welche Rolle die Polizei bei der Attacke eines Schlägertrupps spielte.
China hat die jüngsten Ausschreitungen bei Protesten in seiner Sonderverwaltungszone Hongkong verurteilt. Aus dem Außenministerium hieß es, das Verhalten einiger "radikaler Demonstranten" könne nicht toleriert werden. Man unterstütze die Regierung in Hongkong dabei, für Recht und Ordnung zu sorgen, erklärte ein Sprecher in Peking.
Gestern war es nach regierungskritischen Massenprotesten erneut zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Aktivisten blockierten Straßen, einige bewarfen das Verbindungsbüro der chinesischen Führung mit Eiern und Farbe. Die Polizei setzte Tränengas ein. Es war das erste Mal, dass sich der Protest nicht mehr nur gegen die Hongkonger Regierung, sondern auch direkt gegen China richtete.
Der Leiter der chinesischen Vertretung, Wang Zhimin, bezeichnete die Vorfälle als Beleidigung des "gesamten chinesischen Volkes". Er rief die Hongkonger Regierung auf, die verantwortlichen Demonstranten zur Verantwortung zu ziehen.
Daniel Satra, ARD Peking, analysiert den Protest in Hongkong
tagesschau24 15:00 Uhr, 22.07.2019
Aktivisten: Polizei war untätig
Aktivisten wiederum warfen der Polizei Untätigkeit nach der Attacke eines Schlägertrupps vor. Weiß bekleidete Angeifer hatten an einem U-Bahnhof mit Stöcken und Stangen auf heimkehrende Demonstranten und Reporter eingeschlagen. Mindestens 45 Menschen wurden verletzt. Beobachter gehen davon aus, dass Triaden hinter den Angriffen stecken - eine auch in China und Hongkong ansässige Gruppe aus dem Bereich der organisierten Kriminalität.
Der Abgeordnete Lam Cheuk Ting, der ebenfalls bei der Attacke verletzt wurde, sprach von barbarischen und gewalttätigen Taten. Damit hätten die Triaden "die Grenze der zivilisierten Gesellschaft überschritten". Der Politiker Alvin Yeung warf der Regierung vor, sie habe die Augen vor den Angriffen verschlossen. "Das sind Banden, die Hongkonger verprügeln - und trotzdem tun Sie so, als wäre nichts passiert?"
Scharfe Kritik kam auch aus dem katholischen Bistum Hongkong. "Wir sind zutiefst betrübt über den Ausbruch von Gewalt gegen unsere Bürger (...)", hieß es in einer Erklärung. Das Bistum forderte, die Täter müssten verhaftet und vor Gericht gestellt werden.
Polizei verteidigt sich
Die Polizei verteidigte ihr Verhalten. Die Sicherheitskräfte seien in anderen Stadtteilen mit den Protesten beschäftigt gewesen, deshalb seien sie verspätet aufgetaucht. Vorwürfe, die Polizei stecke mit den Triaden unter einer Decke, wies der Verantwortliche der Polizei als "Verleumdung" zurück.
Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam verurteilte sowohl die gewaltsamen Proteste gegen die chinesische Vertretung als auch die Angriffe auf die pro-demokratischen Aktivisten. "Wir dulden solche Gewalttaten absolut nicht", sagte sie vor Journalisten einen Tag nach den Ausschreitungen.
In Hongkong gibt es seit sieben Wochen Massenproteste. Sie richten sich gegen die Regierung und den wachsenden Einfluss Chinas in Hongkong. Die Demonstranten fordern die vollständige Rücknahme eines Gesetzentwurfs, der die Auslieferung von Straftätern an Festlandchina vorsieht. Außerdem verlangen sie eine unabhängige Untersuchung möglicher Polizeigewalt bei früheren Demonstrationen.
Hongkong: Festnahmen nach Schläger-Attacke auf Demonstranten
Steffen Wurzel, ARD Shanghai
23.07.2019 05:55 Uhr
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