
Proteste in Belarus "EU ist in einer schwierigen Situation"
Stand: 08.09.2020 22:01 Uhr
Die EU habe nur wenige Einflussmöglichkeiten im Konflikt zwischen Opposition und Regierung in Belarus, sagt Osteuropa-Expertin Fischer im tagesthemen-Interview. Das habe auch mit Russland zu tun.
Der belarusische Staatschef Alexander Lukaschenko hat nach Einschätzung von Sabine Fischer von der Stiftung Wissenschaft und Politik seine Strategie gegen die Oppositionsbewegung verändert. Am Anfang habe es breite, brutale Repressionen gegen die Demonstranten gegeben, jetzt gehe er gezielter gegen Organisatoren und Führungsfiguren der Bewegung vor.
"Offensichtlich ist es seine Strategie, den Demonstrationen Repressionen entgegenzusetzen, die führenden Köpfe der Oppositionsbewegung aus dem Land zu drängen und zu repressieren, und darüber diese Bewegung zum Einschlafen zu bringen", sagte Fischer im tagesthemen-Interview. So werde versucht, die Menschen einzuschüchtern. Ob dies gelinge, sei schwer zu sagen, jedoch sei es "beeindruckend, wie lange und in welch großer Zahl die Menschen nach wie vor auf die Straße gehen". Die Situation sei "bis heute offen".
Sabine Fischer, Stiftung Wissenschaft und Politik, mit Einschätzungen zur Lage in Belarus
tagesthemen 22:15 Uhr, 08.09.2020
"Man sieht sich in einem geopolitischen Konflikt mit der NATO"
Nach anfänglichem Zögern stehe Russlands Präsident Wladimir Putin inzwischen allerdings vollständig hinter der belarusischen Regierung. Dies hat nach Einschätzung von Fischer die Position Lukaschenkos im Kampf gegen die Oppositionsbewegung gestärkt.
Sowohl in Russland als auch in Belarus werde die Bewegung als von außen organisiert betrachtet und in eine Reihe mit der Maidan-Bewegung 2014 in der Ukraine gestellt, erklärt die Osteuropa-Expertin. "Man sieht sich in einem großen geopolitischen Konflikt mit der NATO." Lukaschenko wolle daher Russland möglichst tief in den Konflikt einbeziehen, um im Zweifelsfall russische Unterstützung zu bekommen. Die ersten Schritte in diese Richtung sei Russland bereits gegangen.
Sie habe "starke Zweifel", dass Putin bereit sei, ein demokratisches Belarus zu akzeptieren. "Alles, was Moskau bislang getan hat, deutet darauf hin, dass man versucht, dieses 'Problem' mehr oder weniger wie eine innenpolitische Frage zu lösen - indem man Lukaschenko unterstützt, indem man seine Repressionen mitträgt."
EU müsse klare Sprache sprechen
Das bedeute für die EU, dass sie weiter Verhandlungen und Vermittlung anbieten, gleichzeitig aber auch eine klare Sprache sprechen müsse - auch in Form von Sanktionen, falls Russland massiver in den Konflikt eingreifen sollte.
Die EU sei in einer sehr schwierigen Situation, denn der Konflikt, der sich nun ergeben habe, "ist tatsächlich ein innenpolitischer". Die EU müsse sehr vorsichtig sein, "auch weil die belarusische Gesellschaft [...] weiterhin ein großes Interesse an guten Beziehungen nach Osten hat". Der EU seien hier "relativ die Hände gebunden". Ein weiteres wichtiges Mittel sei allerdings die Herstellung einer internationalen Öffentlichkeit, "die natürlich auch Druck erzeugt".
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