
25. Todestag Jitzchak Rabins Ein Mord, der den Friedensprozess tötete
Stand: 04.11.2020 04:09 Uhr
Rabin suchte als israelischer Regierungschef nach Jahrzehnten gewalttätiger Konfrontation den Ausgleich mit den Palästinensern. Vor 25 Jahren wurde er ermordet. Heute ist sein Tod ein mahnendes Exempel.
Von Tim Aßmann, ARD-Studio Tel Aviv
An der Rückseite des Rathauses von Tel Aviv hat sich eine kleine Menschentraube gebildet. Frauen und Männer stehen vor einem erneuerten Gedenkstein und wehenden israelischen Fahnen.
Frische Blumen liegen vor dem Stein, der an jenen Mann erinnert, dessen Name der angrenzende Platz mit den brennenden Kerzen zur Erinnerung trägt: Jitzchak Rabin. Vor 25 Jahren wurde der damalige israelische Ministerpräsident hier hinter dem Rathaus erschossen.
Der Mord - Ein Land unter Schock
Miki, 41 Jahre alt, von Beruf Kulturmanagerin steht neben der Gedenkstätte. Sie kann sich noch genau erinnern, wie sie an jenem 4. November 1995 vom Anschlag auf Rabin erfuhr. "Ich funktionierte nicht mehr. Wenn ich versuche, meine Emotionen von damals zusammenzufassen, dann sind das: Leere, Ohnmacht, Scham und Wut. Ich bin völlig zerbrochen."
Der 73-jährige Rabin hatte auf einer Massenkundgebung gesprochen, die unter dem Motto stand: "Ja zum Frieden. Nein zur Gewalt". Nach seiner Rede wurden mehrere Schüsse auf Rabin abgefeuert. Schütze war der 25-jährige Jigal Amir. Der rechtsnationale jüdische Fanatiker wollte Rabins Tod, weil dieser Frieden mit den Palästinensern suchte und dafür auch zu Kompromissen bereit war.
Die Tat habe sie geprägt, sagt Miki. Sie war überrascht darüber, wie sehr dieses Ereignis einen Bruch in ihrem Leben auslöste:
"Davor war ich kein Mensch mit ausgeprägtem politischen Bewusstsein. Ich habe damals etwas als selbstverständlich betrachtet, von dem ich heute weiß, wie außergewöhnlich es war: Dass ich in einer Zeit lebte, in der Frieden wirklich greifbar war, in der für unser Leben große Hoffnungen bestanden."
Der Mord beendete de facto den Friedensprozess
Nach dem Tod Rabins kam der Friedensprozess nach und nach zum Erliegen. So nah wie Mitte der 1990er-Jahre kamen Israelis und Palästinenser einem Frieden danach nie mehr. Rabins Pläne spalteten damals die israelische Gesellschaft. Es gab massive Hetze gegen den Premierminister, erinnert sich Miki:
"Es gab Schilder, auf denen es hieß 'Rabin ist ein Verräter, ein Mörder. Rabin teilt Israel'. Auch in der heutigen Zeit, in der es eine sehr aufgeheizte Stimmung und eine Spaltung gibt, erlebe ich nicht, dass Politiker als Verräter oder Mörder beschimpft werden. Es werden andere Dinge gesagt. Aber es ist so, dass wir als Gesellschaft von innen viel an uns arbeiten müssen."
Miki will ihren Teil dazu beitragen. Sie nimmt als Freiwillige an einem neuen Projekt der Stadt Tel Aviv teil. Miki und andere werden Schulgruppen zur Gedenkstätte am Rabin-Platz begleiten, mit ihnen Kurzfilme über den Mord und die Situation damals anschauen und diskutieren.
Erinnerung wachhalten
Es gehe darum, die Erinnerung wach zu halten und jüngeren Generationen zu zeigen, was Hass und Hetze in einer Gesellschaft auslösen können, erklärt die zuständige Projektmanagerin der Stadt, Yael Froman-Ideses: "Es ist Rabins Vermächtnis, Meinungen zu respektieren und über Dinge zu reden. Es ist okay, dass wir gespalten sind, solange wir einen gemeinsamen Dialog führen können, geprägt vom Respekt für alle Seiten. Daher ist es vielleicht wichtiger als jemals zuvor, dieses Thema wieder gerade in dieser Zeit aufzubringen."
Auch heute sind die Gräben tief zwischen dem linken und dem rechten politischen Lager im Land. Das bestätigt eine aktuelle Umfrage des Think Tanks "Israel Democracy Institute". Eine große Zahl der Befragten beklagt Hetze und Spaltung in der Gesellschaft und 45 Prozent der Befragten halten ein politisches Attentat wie den Mord an Rabin auch heute für möglich.
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