
Italien Hoffnungsschimmer in der Corona-Krise?
Stand: 23.03.2020 04:34 Uhr
In dem stark betroffenen Land ist die Zahl der Neuinfektionen und der Todesfälle zuletzt stark zurückgegangen. Trotzdem ist es laut Experten zu früh, von einer Kehrtwende zu sprechen.
Von Jörg Seisselberg, ARD-Studio Rom
Es ist zumindest ein Hoffnungsschimmer nach Tagen, in denen die Kurve der Neuinfektionen und der Todesfälle in Italien so steil wie erschreckend nach oben ging. Franco Locatelli, Direktor des nationalen italienischen Gesundheitsrats, warnt aber davor, die aktuellen Daten überzubewerten und schon jetzt von einer Trendwende im Kampf gegen das Coronavirus zu sprechen: "Wir wollen uns selbstverständlich nicht von voreiligem Enthusiasmus packen lassen und diese Tendenz überschätzen. Aber es ist natürlich ein Signal, das wir gerne zur Kenntnis nehmen", sagt er.
Das Signal lautet: So deutlich wie noch nie, seitdem das Coronavirus erstmals in Italien nachgewiesen wurde, ist die Zahl der Neuinfektionen und der Todesfälle im Vergleich zum Vortag zurückgegangen. Ob es ein statistischer Ausreißer oder der Beginn eines Trends ist, werden die nächsten Tage zeigen.
Was Hoffnung nährt: Es ist knapp zwei Wochen her, dass Italien eine weitgehende Ausgangssperre im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus beschlossen hat. Und genau diesen Zeitraum, hatten Experten vorausgesagt, würde es brauchen, bis erste Effekte der Maßnahmen zu erkennen sind.
Regeln erneut verschärft
Ministerpräsident Giuseppe Conte hatte die Italiener am Wochenende erneut um Geduld gebeten. "Die Maßnahmen, die wir bislang angewandt haben, brauchen Zeit bevor sie ihre Wirkungen entfalten können", sagte er. "Wir müssen weiter alle Regeln beachten. Mit Geduld, mit Verantwortung, mit Zuversicht."
Diese Regeln hat Conte aktuell noch einmal verschärft, angesichts der bis zum Wochenende erschreckenden Zunahme an Todes- und Infektionsfällen in Italien. Die neuen Maßnahmen der Regierung sehen vor, dass ab heute alle Betriebe schließen müssen, die keine in der derzeitigen Situation notwendigen Güter und Dienstleistungen anbieten. Geöffnet bleiben dürfen weiterhin Supermärkte, Lebensmittelläden und Apotheken, ebenso Banken und die Post sowie Zeitungshändler.
Auf der Liste der Bereiche, in denen ebenfalls weiter gearbeitet werden darf, stehen unter anderem die Landwirtschaft und die Lebensmittelindustrie, die Hersteller von medizinischen Geräten sowie Teile der Bekleidungs- und Energiebranche. Auch Medien dürfen weiter arbeiten.
Ein Ende der Balkonpartys
Mit der von der Regierung am Wochenende beschlossenen Verschärfung, räumt Gesundheitsratspräsident Locatelli ein, habe Italien seine letztmögliche Karte im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus gespielt: "Wir sind ein wenig beim Maximum dessen angelangt, was möglich ist, um der Ansteckung durch zwischenmenschlichen Kontakt vorzubeugen, bezogen auf die Einschränkung der sozialen und beruflichen Tätigkeiten."
Eine möglicherweise ultimative Maßnahme, die auf ein im Kampf gegen das Virus zunehmend ermüdetes Land trifft. Die Balkonpartys, mit denen sich die Menschen im Land bis vor ein paar Tagen noch Mut in der Ausgangssperre gemacht hatten, haben am Wochenende kaum noch stattgefunden.
Ellen Trapp, ARD Rom, zur Lage in Italien
tagesschau 12:00 Uhr, 23.03.2020
Hoffnung für Bergamo
Besonders im Norden Italiens sitzen Schock und Trauer tief darüber, dass im Land mittlerweile mehr Menschen mit dem Coronavirus gestorben sind als in China. Für die besonders betroffene Stadt Bergamo, sagt der Rektor der dortigen Universität, Remo Morzenti Pellegrini: "Wir singen hier nicht von den Balkonen. Wir leiden in Stille, mit Würde und Respekt."
In der nur 110.000 Einwohner großen Stadt in der Nähe von Mailand sind so viele Menschen im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben, wie weltweit sonst nur im hundertmal so bevölkerungsreichen Wuhan in China. Aber auch in Bergamo gibt es einen Hoffnungschimmer: In der so gebeutelten Stadt lag gestern Abend die Zahl der registrierten Neuinfizierten um rund die Hälfte unter dem Wert des Vortages.
Hoffnung in Italien? - Erstmals sinkende Zahlen
Jörg Seisselberg, ARD Rom
23.03.2020 07:38 Uhr
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