Porträt Johannes Paul II. Der "eilige Vater"
Stand: 27.04.2014 02:22 Uhr
Er galt als warmherzig und den Gläubigen nah, war immer auf Reisen. Doch ging Papst Johannes Paul II. hart gegen kritische Theologen vor und vernachlässigte die Kirchenführung. Viele Gläubige haben Papst Johannes Paul II. dennoch in sehr guter Erinnerung.
Von Jan-Christoph Kitzler, ARD-Hörfunkstudio Rom
Er war der Papst, der viele Sprachen sprach. Er war der erste nicht-italienische Papst seit Jahrhunderten. Als der Pole Karol Wojtyla am 16. Oktober 1978 von den Kardinälen im Konklave im achten Wahlgang gewählt wurde, war das für viele eine faustdicke Überraschung. Mit 58 Jahren war er ein noch junger Papst.
Dazu kam dieser neue Ton, den Johannes Paul II. gleich zu Beginn anschlug: "Ich weiß nicht, ob ich mich gut in eurer, in unserer italienischen Sprache ausdrücken kann: Wenn ich Fehler mache, dann korrigiert mich."
Ein Papst, der von seinen Fehlern redete - das war neu. Der Papst aus Polen wollte sich nicht abschotten im Vatikan, nicht über den Dingen schweben. Im Gegenteil: Er suchte wie noch keiner seiner Vorgänger die Öffentlichkeit und bediente sich der Massenmedien. Er wollte weiterhin den Menschen nahe sein, auch seinen alten Freunden.
Stanislaw Grygiel würde sich selbst nie als einen solchen bezeichnen, aber der polnische Philosophieprofessor kannte Karol Wojtyla schon seit dem Ende der 50er-Jahre, als dieser ein junger Priester war. Grygiel kam mit seiner Familie nach Rom, kurz nachdem Wojtyla Papst geworden war, und war seitdem Teil der päpstlichen Familia: "Sein Haus war offen, er hatte unglaublich großen Kontakt mit den Menschen", erinnert sich Grygiel. "Jeden Tag zum Frühstück, Mittag, Abendessen lud er Gäste ein. Er hat nie allein gegessen. Dann stellte er Fragen und hörte zu. Das war der offenste Papst, den ich kenne."
Ein Rastloser im Vatikan
In Rom und im Vatikan hielt es Johannes Paul II. nie lange aus. Oft soll er heimlich zum Skifahren gegangen sein oder zu Wanderungen in den von ihm geliebten Abruzzen. Wie kein anderer reiste er um die Welt, den "eiligen Vater" nannten sie ihn. Während 104 Auslandsreisen besuchte er 127 Länder, um seine Botschaft zu verbreiten, um den katholischen Christen in der ganzen Welt nahe zu sein.
Fürs Regieren und für die Führung seiner Kirche habe er sich hingegen nicht besonders interessiert, sagen Kritiker. So hinterließ er seinen Nachfolgern mit der Vatikanbank IOR, den Missbrauchsskandalen und dem Streit um die Piusbruderschaft große Probleme, die bis heute mühsam aufgearbeitet werden müssen.
Ein Symbol des Widerstands in Polen
Johannes Paul II. war einer der Päpste mit der längsten Amtszeit. In den mehr als 26 Jahren seines Pontifikats bestimmte er den Lauf der Geschichte mit. Die erste Reise in sein Heimatland im Jahr 1979 fiel mitten in die Zeit der kommunistischen Herrschaft. Hinter dem eisernen Vorhang und vor allem in Polen war er ein Symbol des antikommunistischen Widerstandes, auch mit seinen furchtlosen Appellen, für den Glauben einzutreten: "Brüder und Schwestern! Habt keine Angst, Jesus aufzunehmen und seine Herrschaft anzunehmen", sagte er damals. "Helft dem Papst und allen, die Christus dienen wollen, und die mit Christi Macht dem Menschen und der ganzen Menschheit dienen. Habt keine Angst! Öffnet die Tore, nein, stoßt die Tore für Christus auf!"
Während er sich öffentlich für Ökumene und für den interreligiösen Dialog einsetzte, stand er innerkirchlich für ein hartes Vorgehen gegen kritische Theologen. Exekutiert wurde das von seinem späteren Nachfolger, dem langjährigen Präfekten der Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger.
Für viele schon zu Lebzeiten ein Heiliger
Die letzten Jahre Johannes Paul II. waren Jahre des öffentlichen Leidens. Schwer gezeichnet von der Parkinson-Krankheit kam ein Rücktritt jedoch nie infrage. Bis zum Schluss, als er schon nicht mehr sprechen konnte, trat er öffentlich auf. Seinen letzten Urbi-et-Orbi-Segen spendete er stumm, sechs Tage vor seinem Tod. Dieses Leiden trug dem Papst noch einmal viel Bewunderung ein und führte gleich nach seinem Tod am 2. April 2005 zum Ruf nach einem baldigen Heiligsprechungsverfahren. Für viele Gläubige, die damals nach Rom kamen, war Johannes Paul ein Heiliger: un Santo.
Diese Rufe fanden Gehör: Die erste Stufe, die Seligsprechung, vollzog Benedikt XVI. schon 2011. Das Verfahren dazu wurde wenige Wochen nach dem Tod Johannes Paul II. eröffnet. Sein Nachfolger setzte dazu das Kirchenrecht außer Kraft.
Menschlich warm, in theologischen Fragen hart
Das Bild dieses Papstes wandelte sich in über einem Vierteljahrhundert im Amt stark. Viele Katholiken in Deutschland hatten Schwierigkeiten mit der unnachgiebigen Haltung Johannes Pauls II. vor allem in moraltheologischen Fragen.
Aber die, die ihm nahe waren, erinnern sich vor allem an einen warmen, liebevollen Menschen, so auch Stanislaw Grygiel, der Philosophieprofessor und Freund: "Einmal war ich beim Papst beim Abendessen mit meinem Sohn, der war acht Jahr alt. Auf einmal fing er an, mich unterm Tisch zu treten. Ich frage ihn: 'Was ist los?' Er sagte: 'Papa, gehen wir nach Haus. Das alles hier ist langweilig.' Der Papst bemerkte das, sah ihn an und sagte: 'Jakub, verzeih mir. Ich habe dich eingeladen und rede kein Wort mit dir.' Da hat er aufgehört, mit uns Erwachsenen zu reden. Bis zum Ende des Essens redete und spielte er nur mit ihm."
Johannes Paul II. ist der 81. Papst, der von der Katholischen Kirche als Heiliger verehrt wird.