
Corona in Kalifornien Der Preis der Lockerung
Stand: 09.06.2020 10:53 Uhr
Kalifornien hatte einst strenge Corona-Maßnahmen verhängt - in den vergangenen drei Wochen aber immer mehr Beschränkungen aufgehoben. Das könnte sich nun rächen.
Von Markus Schuler, ARD-Studio Los Angeles
Kalifornien war bisher das Vorbild bei der Corona-Bekämpfung in den USA. Der Staat hatte als einer der ersten strenge Ausgangsbeschränkungen verhängt. Die Neuinfektionen gingen deutlich zurück. Die Übertragungsrate lag für einige Tage sogar unter eins. Doch mit der Disziplin und der gegenseitigen Rücksichtnahme scheint es vorbei zu sein.
Nationale Gesundheitsbehörde schlägt Alarm
Der Direktor der nationalen Gesundheitsbehörde CDC, Robert Redfield, schlägt für Kalifornien aber auch einige andere Bundesstaaten Alarm. "Wir sind besorgt, weil unsere Botschaft offenbar nicht mehr ankommt. Wir versuchen jetzt unterschiedliche Bevölkerungsgruppen zu erreichen."
Vor allem im Großraum Los Angeles steigen die Neuinfektionen. Zehn Millionen leben in dem Ballungsraum. Hier sind bislang die meisten Menschen in dem bevölkerungsreichsten Bundesstaat an Covid-19 verstorben - mehr als 2600. Mittlerweile, so befürchten Ärzte und Wissenschaftler, dürfte die Übertragungsrate wieder deutlich über eins liegen.
"Die Menschen wollen nicht mehr zu Hause sein"
Die Menschen seien der Beschränkungen überdrüssig, sagt die Medizinerin Marjorie Bessel im TV-Sender ABC: "Im ganzen Land wollen die Menschen nicht mehr zu Hause sein. Sie sind es müde, nur einen kleinen Freundeskreis zu haben und sie wollen sich nicht mehr an die Vorschläge zur Eindämmung des Virus halten."
Contra Costa: Anstieg zum Teil um 50 Prozent
Aber auch im Norden des 40 Millionen Einwohner Staates steigen die Zahlen plötzlich wieder an - zum Teil um 50 Prozent und mehr wie im Bezirk Contra Costa nahe San Francisco oder im Weinanbaugebiet Sonoma County. Der Anstieg hat einen Grund: Gouverneur Gavin Newsom hat in den vergangenen drei Wochen immer mehr Beschränkungen aufgehoben.
Öffnungswettrennen unter den Bundesstaaten
Es ist eine Art Wettrennen unter den Bundesstaaten entstanden, wer öffnet seine Wirtschaft als erster und in welchem Umfang. Kein Staat, kein Gouverneur wollte den Anschluss verlieren und letzter sein. In Kalifornien sind mittlerweile in den meisten Bezirken Friseursalons, Restaurants und Fitness-Studios geöffnet. Nur einige Kirchen sind noch geschlossen.
Ansteckungsgefahr durch Demos
Die Zahlen könnten in den kommenden Tagen aber noch weiter ansteigen. Der Grund: Tausende haben gegen Polizeigewalt demonstriert. Und noch etwas macht selbst im reichen, modernen Kalifornien vielen Ärzten Sorge: Noch immer gibt es nicht ausreichend Tests, um auf das Virus zu testen. Zurzeit scheint das Motto zu herrschen: Augen zu und durch.
Kalifornien: Zahl der Corona-Infektionen steigt wieder
Marcus Schuler, ARD Los Angeles
09.06.2020 09:51 Uhr
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