
Zerstörtes Krankenhaus in Beirut "Er ist das Licht in der Dunkelheit"
Stand: 14.08.2020 13:40 Uhr
Das Saint-George-Krankenhaus gehört zu den wichtigsten im Libanon. Die Explosionen im Hafen von Beirut haben es schwer getroffen. Doch inmitten der Katastrophe gab es auch einen Hoffnungsschimmer.
Von Carsten Kühntopp, ARD-Studio Kairo
Es ist der späte Nachmittag des 4. August: Die 28-Jährige Emmanuelle Khnaisser liegt hochschwanger im Saint-George-Krankenhaus in Beirut. Ihr Mann Edmond besucht sie. Plötzlich gibt es eine Explosion - eine Druckwelle, Fensterscheiben splittern, es herrscht Chaos.
"Ich habe den Tod mit meinen eigenen Augen gesehen", erzählt Emmanuelle Tage später einem Reporter. "Ich dachte: 'Ist es vorbei?' Ich schaute mich um und an die Decke - und wartete darauf, dass sie auf uns herunterfallen wird." Sie habe nicht gewusst, was sie machen sollte, sagt sie. "Und da dachte ich, jetzt sollte George kommen, jetzt muss er ins Leben kommen - und ich muss sehr stark sein."
Geburt im Schein der Handyleuchten
Direkt nach der Explosion läuft Frauenärztin Stephanie Yacoub aus dem Zimmer, um einer verletzten Krankenschwester draußen zu helfen. Doch es ist bereits zu spät, die Frau stirbt. Yacoub läuft sofort wieder zu Emmanuelle Khnaisser zurück. Zusammen mit einigen Kollegen schiebt sie das Bett der Hochschwangeren aus dem Zimmer und auf den Flur. Dort leiten die Mediziner die Geburt ein.
"Es gab keinen Strom, und die Sonne ging unter", erzählt Yacoub. "Wir wussten also, dass wir das so schnell wie möglich machen mussten." Im Schein der Handyleuchten einiger Leute sei der Junge zur Welt gekommen. "Die wahren Helden sind die beiden Eltern. Sie blieben so ruhig, folgten dem, was wir sagten und vertrauten darauf, dass wir in der Lage sein würden, uns um ihren Sohn zu kümmern - zu einer Zeit, als die Welt buchstäblich auseinander brach."
Schwere Verwüstungen im Krankenhaus
Das Saint-George-Krankenhaus ist eines der größten und angesehensten Krankenhäuser des Libanon. Es ist nur etwa einen Kilometer vom Hafen, von Ground Zero, entfernt. Die Druckwelle traf es deshalb mit voller Wucht. 17 Menschen kamen im Krankenhaus durch die Explosion ums Leben, vier von ihnen waren Angehörige des Pflegepersonals. Das Krankenhaus wurde so schwer verwüstet, dass es schließen musste.
Rana Hajjeh von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Beirut sagt, das Explosionsunglück habe das Gesundheitswesen schwer in Mitleidenschaft gezogen. "Drei Krankenhäuser sind vollständig außer Funktion, drei weitere und viele kleinere Kliniken teilweise." Außerdem seien Tonnen an medizinischem Bedarfsmaterial vernichtet worden - darunter auch einige Container mit Masken, Kitteln und anderen Gütern zum Kampf gegen die Corona-Pandemie, die im Hafen lagerten. Insgesamt, so die WHO, sei mehr als die Hälfte der Gesundheitseinrichtungen in Beirut nicht einsatzbereit.
Edmond Khnaisser, der Vater des kleinen George, sagt, er werde nie vergessen, was an jenem 4. August passierte. "George ist etwas Besonderes. Er ist das Licht in der Dunkelheit, die Geburt in den Ruinen. Trotz all des Horrors um uns herum kam George bei guter Gesundheit zur Welt."
Das Licht in der Dunkelheit
Carsten Kühntopp, ARD Kairo
14.08.2020 12:23 Uhr
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