
Libyen Haftar kündigt Abkommen auf
Stand: 28.04.2020 09:25 Uhr
Milizenchef Haftar hat ein Abkommen über die Machtverteilung in Libyen aufgekündigt. Es sei "eine Sache der Vergangenheit", sagte er in einer TV-Ansprache. Das macht die Lage im Land noch schwieriger.
Von Björn Blaschke, ARD-Studio Kairo
Chaos - das ist es, was in Libyen seit dem Sturz von Diktator Muammar al-Gaddafi 2011 herrscht - unter anderem mit hunderten Milizen, zwei Parlamenten und zwei Regierungen. Dieses Chaos sollte das Abkommen ordnen, das vor fünf Jahren im marokkanischen Skhirat unter Vermittlung der Vereinten Nationen geschlossen wurde.
Der Vertrag sieht eine Regierung der nationalen Einheit sowie einen Präsidialrat für eine Übergangszeit von zwei Jahren bis zu Parlamentswahlen vor. Zum Chef der Regierung der nationalen Einheit mit Sitz in der Hauptstadt Tripolis wurde der Mann ernannt, der heute noch das Amt bekleidet: Fayez al-Sarraj.
"Historische Mission"
Unter dem Jubel seiner Anhänger kündigte der libysche General und Milizenführer Chalifa Haftar nun dieses Abkommen auf. Die Ende 2015 vermittelte Vereinbarung über eine Machtverteilung habe das Land zerstört, erklärte Haftar in einer Fernsehansprache; seine Milizen, die er die Libysche Armee nennt, übernähmen jetzt die Macht:
"Wir drücken unseren Stolz darauf aus, dass wir unser Generalkommando mit dieser historischen Mission beauftragt haben. Und Stolz auf das Ende der politischen Vereinbarung, die jetzt der Vergangenheit angehört, erfolgt auf Grundlage der Entscheidung des libyschen Volkes, bei dem die Macht liegt."
Haftars Offensive war bislang erfolglos
Haftar war von Anfang an ein Gegner des Abkommens und vor allem ein Gegner von Regierungschef Sarraj in Tripolis. Vor einem Jahr befahl Haftar seinen Milizen, die libysche Hauptstadt zu stürmen. Eine internationale Libyen-Konferenz im vergangenen Januar in Berlin konnte das Blutvergießen nicht beenden.
Dass Haftar jetzt das vor fünf Jahren geschlossene Abkommen aufkündigte, wirkt seltsam. Denn: Seine Offensive war bislang erfolglos. Die Milizen, die auf Seiten der anerkannten Regierung kämpfen, machen Gebietsgewinne, indem sie Haftar und seine Verbündeten zurückdrängen.
Die USA bedauerten Haftars Schritt. In einer Erklärung der US-Botschaft in Libyen rief Washington Haftars Streitkräfte auf, mit der Regierung in Tripolis eine sofortige Einstellung aller Feindseligkeiten und eine dauerhafte Waffenruhe zu vereinbaren.
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Björn Blaschke, ARD Kairo
28.04.2020 08:54 Uhr
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