
Konflikt in Libyen Was vom Waffenstillstand übrig ist
Stand: 16.02.2020 02:28 Uhr
Am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz treffen sich die Außenminister des "Berlin-Gipfels", um über die Lage in Libyen zu beraten. Die ist desaströs, der Waffenstillstand - längst gebrochen.
Von Björn Blaschke, ARD-Studio Kairo
Ein Signal der Hoffnung ging von der Libyen-Konferenz Ende des vergangenen Monats aus. Die wichtigsten inländischen und ausländischen Akteure des Krieges in Libyen kamen auf Einladung der Bundesregierung nach Berlin. Nach der Libyen-Konferenz trat UN-Generalsekretär Antonio Guterres vor die Kameras und legte vorsichtigen Optimismus an den Tag:
"Wir brauchen einen Waffenstillstand. Wir haben eine Waffenruhe, aber keinen echten Waffenstillstand. Eine der zentralen Fragen, die wir angehen müssen - und das ist heute sehr wichtig -, ist, dass alle betroffenen Parteien, die sich irgendwie beteiligt haben, sich verpflichteten, Druck auf die Parteien und die Konfliktparteien auszuüben, damit ein voller Waffenstillstand erreicht wird."
Außenminister beraten über Konflikt in Libyen
tagesschau 13:15 Uhr, 16.02.2020, Gabriele Dunkel, BR
Zwei Lager mit mächtigen Verbündeten
Zuvor hatten sich vor allem zwei Lager in Libyen erbitterte Kämpfe geliefert: Auf der einen Seite die Einheitsregierung von Fayez al-Sarraj. Sie wurde 2014 auf Betreiben der UN gebildet und hat im Westen Libyens, in der Hauptstadt Tripolis, ihren Sitz. Auf der anderen Seite Khalifa Haftar, ein General aus den Zeiten des 2011 gestürzten Muammar al-Gaddafi. Mit verschiedenen Milizen - einige von ihnen salafistische - herrscht Haftar über den Osten und den Süden Libyens. Im vergangenen April rief Haftar zum Sturm auf Tripolis auf.
Dort erhält Sarraj Hilfe von ausländischen Mächten, von Qatar und der Türkei, die - so der allgemeine Vorwurf - in Libyen eine islamistische Agenda hätten. Das Parlament in Ankara ermächtigte Präsident Recep Tayyip Erdogan sogar, Einheiten zur Unterstützung von Sarraj nach Libyen zu entsenden.
Sarrajs Gegner Haftar bekommt Unterstützung aus Saudi-Arabien, Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Frankreich und Russland. Hunderte Söldner des russischen Unternehmens Wagner sollen auf der Seite Haftars kämpfen. Denn: Haftar gilt vielen als Garant der Stabilität.
In Berlin wird eine Feuerpause vereinbart ...
Kurz vor der Berliner Libyen-Konferenz Ende Januar akzeptierten dann Sarraj und Haftar eine von der Türkei und Russland vermittelte Feuerpause. Und während der Konferenz verpflichteten sich die ausländischen Akteure, ihre jeweiligen libyschen Partner nicht länger zu unterstütze. Das brachte das vorsichtige optimistische Signal zustande, das auch Gastgeberin Kanzlerin Angela Merkel aussandte:
"Ich hoffe, dass wir durch die heutige Konferenz eine Chance haben, - ich sag‘s mal: eine Chance haben -, dass diese Waffenruhe weiter hält. Jedenfalls haben sich alle Teilnehmer der Konferenz dazu bekannt."
Doch nur wenige Tage später machte Frankreichs Präsident Macron, der selbst lange Haftar unterstützte, dem türkischen Präsidenten Erdogan schwere Vorwürfe:
"Wir haben in diesen vergangenen Tagen gesehen - in diesen vergangenen Tagen! -, wie türkische Schiffe in Begleitung von syrischen Söldnern auf libyschem Boden eintrafen. Dies ist ein ausdrücklicher und schwerer Verstoß gegen die Vereinbarungen von Berlin."
Diese Vorwürfe erhärten libysche und syrische Quellen.
... eingehalten wird sie praktisch nie
Beide Seiten - die Milizionäre, die zu Haftar stehen, und die, die Einheitsregierung von Sarraj unterstützen, liefern einander immer wieder Gefechte rund um Tripolis. Die sogenannten "5+5-Gespräche", in denen unter Vermittlung der UN Vertreter beider Seiten über einen Waffenstillstand verhandeln, haben unterdessen in Genf begonnen. Der UN-Sondergesandte für Libyen, Ghassan Salame, ist nach wie vor - wohl berufsbedingt - optimistisch:
"Fortschritte wurden in vielen wichtigen Themen erzielt, und wir haben noch eine Reihe wichtiger Punkte der Annäherung vor uns. Während der Verhandlungen würde es den Teilnehmern bestimmt helfen, wenn es mehr Ruhe an den Fronten gäbe. Und wenn die provozierenden Aktionen auf militärischer Seite weniger würden."
Was vom Waffenstillstand übrigblieb
Björn Blaschke, ARD Kairo
16.02.2020 06:15 Uhr
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