
TV-Ansprache Reichen Macrons Zugeständnisse?
Stand: 11.12.2018 00:53 Uhr
Frankreichs Präsident Macron ist einen großen Schritt auf die "Gelbwesten" zugegangen. Er kündigte umfassende finanzielle Erleichterungen an und entschuldigte sich. Manchen ist das nicht genug.
Von Sabine Wachs, ARD-Studio Paris
Er hat sein Bestes gegeben. Der sonst so selbstbewusste französische Präsident wirkte in seiner Fernsehansprache ruhig und klar, trotzdem war ihm eine gewisse Anspannung anzusehen. Den Blick klar in die Kamera gerichtet, dem Zuschauer direkt in die Augen blickend, erklärte Emmanuel Macron durchaus selbstkritisch:
"Es sind die Missstände der letzten 40 Jahre, die gerade hochkommen. Ohne Zweifel haben wir es in den eineinhalb Jahren Regierungszeit nicht geschafft, angemessen und zügig darauf zu reagieren. Dafür übernehme ich meinen Teil der Verantwortung. Und ich weiß, dass ich einige von Ihnen mit meinen Bemerkungen verletzt habe."
Frankreich nach der Rede von Präsident Macron
tagesschau 12:00 Uhr, 11.12.2018, Mathias Werth, ARD Paris
Verständnis für Wut und Ärger
Macron äußerte Verständnis für die Wut und den Ärger der vielen "Gelbwestler", die seit vier Wochen Straßen im ganzen Land blockieren. Die heftigen Ausschreitungen, die Gewaltexzesse der vergangenen beiden Samstage allerdings bezeichnete er als nicht hinnehmbar. "Keine Wut rechtfertigt es, einen Polizisten anzugreifen, Geschäfte zu plündern und öffentliche Gebäude zu beschädigen", machte der Präsident deutlich.
Nach seiner auch von vielen Demonstranten geforderten Entschuldigung kam Macron zum Kern seiner Ansprache. Er machte einen großen Schritt auf die Gelbwesten zu, griff Teile ihrer Forderungen nach Steuersenkungen und Lohnerhöhungen auf. Er lieferte ihnen die Grundlage für einen Dialog:
"Wir wollen ein Frankreich, in dem jeder würdig von seiner Arbeit leben kann. Der Mindestlohn soll ab 2019 um 100 Euro im Monat steigen, ohne dass die Arbeitgeber mehr zahlen müssen. Die Überstunden sollen ab 2019 wieder steuerfrei honoriert werden. Und ich fordere alle Arbeitgeber, die es können auf, ihren Angestellten Prämien zu zahlen - für die Arbeitnehmer steuerfrei."
Außerdem kündigte Macron an, für Rentner, die weniger als 2000 Euro im Monat haben, die Erhöhung der Sozialabgaben auszusetzen. Das waren Kernforderungen der Gelbwesten, die ab Januar 2019 erfüllt werden sollen.
Einzig darüber, wie der Präsident diese Maßnahmen finanzieren will, verlor er kein Wort. Ersten Schätzungen zu Folge geht es um rund 15 Milliarden Euro.
Gespaltene Reaktionen
Die Reaktionen unter den Protestlern fielen gespalten aus. Viele "Gelbwesten" verfolgten die Rede über Handys und Tablets an ihren Blockadestellen. "Ich gebe ihnen mein Gefühl wieder: Wir hatten genau darauf gewartet. Die Frage ist nur, warum es so lange gedauert hat", sagt Alain Bouchet aus dem Departement Yvelines. Er fasst die Rede als Gesprächsangebot auf und ist bereit, die Proteste erst einmal einzustellen.
Seine Ansicht steht im krassen Gegensatz zu der seines "Gelbwesten"-Kollegen Tristan Lozach aus der Bretagne : "Ja, Macron bewegt sich. Wenn wir weiter machen, dann bricht er ein, dann geht er auch auf unsere anderen Forderungen ein. Wenn er Respekt für das Volk hat, dann tritt er zurück. Das ist unsere zentrale Forderung."
Einen Rücktritt der Regierung forderte die konservative Europaabgeordnete Natalie Morano. Und auch Jean-Luc Mélenchon, dem Chef der extrem linken France Insoumise haben die Ankündigungen nicht gereicht. Er forderte die Gelbwesten zu weiteren Protesten am kommenden Samstag auf.
Ob die Rede des Präsidenten wirklich dazu beitragen wird, die Lage in Frankreich zu entspannen, ist noch offen. Deutlich aber ist, dass sie einen ersten Keil in die Protestbewegung getrieben hat. Diese zerfällt in die gesprächsbereiten Gemäßigten und die sturen Radikalen.
Nach der Rede von Macron - Gelbwesten gespalten
Sabine Wachs, ARD Paris
11.12.2018 00:26 Uhr