Autobombe in Beirut Ex-Regierungschef Hariri bei Anschlag getötet
Stand: 14.02.2005 03:11 Uhr
Der ehemalige libanesische Ministerpräsident Rafik Hariri ist in Beirut einem Autobombenanschlag zum Opfer gefallen. Mit ihm starben mehrere seiner Leibwächter, insgesamt gab es mindestens neun Tote.
Die Detonation ereignete sich, als Hariris Autokonvoi am Saint George Hotel in einem Touristenviertel vorbeifuhr und riss einen mehrere Meter tiefen Krater in die Straße. Rund 100 Menschen wurden verletzt, darunter nach Krankenhausangaben auch die zwei früheren Minister Basil Fuleihan und Samir al Jisr, die in Hariris Fahrzeugkonvoi mitfuhren. Zahlreiche Autos gingen in Flammen auf, die Mauern umliegender Gebäude wurden komplett zerstört.
Sondersitzung des Kabinetts
Es war einer der schwersten Bombenanschläge in Libanon seit Ende des Bürgerkriegs vor 15 Jahren. Das Kabinett wurde zu einer Sondersitzung zusammengerufen. Außerdem traf sich der Oberste Sicherheitsrat im Präsidentenpalast, wie ein Sprecher von Staatspräsident Emile Lahud mitteilte.
Zu dem Anschlag bekannte sich am Abend eine bisher unbekannte angeblich islamistische Gruppe. Der arabische Fernsehsender Al Dschasira strahlte ein Video aus, in dem ein Mann erklärte, Hariri sei "für unsere Mudschahedin-Brüder in Saudi-Arabien" ermordet worden. Der Politiker sei ein "Agent" Saudi-Arabiens gewesen. Hariri hatte rund 20 Jahre in Saudi-Arabien gelebt (Lesen Sie das Porträt).
Der Mann in dem Video saß vor einer schwarzen Flagge mit der Aufschrift: "Gruppe für Sieg und Heiligen Krieg in Levant". Levant ist der historische Name einer Region, die das heutige Syrien, den Libanon, Israel, palästinensische Gebiete und Jordanien einschließt. Die Echtheit des Videos ist ungeklärt.
Aus libanesischen Polizeikreisen verlautete, der Mann aus dem Video sei identifiziert worden. Es handele sich um einen Palästinenser, der Verbindungen zur Al Kaida haben soll. Sicherheitskräfte stürmten am Abend sein Haus in Beirut, wo er sich jedoch nicht aufhielt.
Zusammenhang mit Syrien-Politik vermutet
Beobachter hatten zuvor die Vermutung geäußert, dass das Attentat auf Hariri im Zusammenhang mit der Syrien-Politik des Libanon steht. Der 60-jährige Milliardär war im vergangenen Oktober nach einem Machtkampf mit dem Syrien-freundlichen Präsidenten Lahud als Ministerpräsident zurückgetreten. In jüngster Zeit hatte er sich hinter die Forderung oppositioneller Gruppierungen im Land gestellt, dass Syrien seine Rolle als Ordnungsmacht im Libanon vor den Wahlen im Mai aufgeben müsse.
In letzter Zeit ist nach Einschätzung der Beobachter insbesondere der politische Widerstand gegen die rund 20.000 syrischen Soldaten im Libanon gewachsen. Heftig umstritten ist dabei die Uno-Resolution 1559, die besagt, dass Syrien den Libanon verlassen muss.
Syrien verurteilt Attentat
Die syrische Regierung verurteilte das Attentat scharf. "Syrien betrachtet diesen Anschlag als Tat von Terroristen, ein Verbrechen, mit dem der Libanon destabilisiert werden soll", sagte Informationsminister Mahdi Dachl-Allah. Auch die USA, die EU und Russland verurteilten den Anschlag. UN-Generalsekretär Kofi Annan warnte vor einem Wiederaufbrechen alter Konflikte in dem ehemaligen Bürgerkriegsland.
Der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan, erklärte, die USA würden mit anderen Ländern in der Region und mit dem UN-Sicherheitsrat über Maßnahmen beraten, mit denen die Verantwortlichen für den Anschlag bestraft werden könnten. Ziel sei es, die Gewalt und die Einschüchterung des libanesischen Volkes zu beenden und die Unabhängigkeit und die Souveränität Libanons wiederherzustellen, indem das Land von ausländischer Besatzung befreit werde.
Ausschreitungen in Beirut und Sidon
Unterdessen versuchten mehrere dutzend libanesische Jugendliche, ein Büro der syrischen Baath-Einheitspartei in Beirut zu stürmen. Sie warfen Fensterscheiben des Büros in einem sunnitischen Stadtteil im Süden der libanesischen Hauptstadt ein, berichteten Augenzeugen. Auch in Hariris Heimatstadt Sidon im Süden des Landes blockierten hunderte aufgebrachte Menschen die Hauptverkehrsachse an der Mittelmeerküste mit brennenden Reifen.