
Vatikan-Missbrauchskonferenz Viele Vorschläge, aber noch keine Aktionen
Stand: 22.02.2019 09:47 Uhr
Die Teilnehmer des Missbrauchsgipfels im Vatikan gehen vorsichtig optimistisch in den zweiten Tag. Der überraschende Vorstoß von Papst Franziskus könnte einen entscheidenden Impuls geliefert haben.
Von Jörg Seisselberg, ARD-Studio Rom
Der deutsche Kardinal Marx geht mit großer Zuversicht in den zweiten Tag. Das Treffen der Bischöfe aus aller Welt im Vatikan könne beim Thema Kampf gegen Missbrauch den Impuls geben, den er sich wünsche. "Der Gipfel, der jetzt einberufen wurde, soll ja die ganze Weltkirche zusammenholen, und es wird nicht ohne Ergebnis sein, das spüre ich jetzt schon."
Dazu beigetragen hat, dass der Papst gestern für eine Überraschung sorgte. Er legte den Teilnehmern der Konferenz eine 21-Punkte-Liste mit Vorschlägen vor, die offiziell eine Zusammenfassung dessen sind, was an Anregungen aus der Weltkirche in den vergangenen Wochen auf seinem Schreibtisch gelandet ist.
Michael Schramm, ARD Rom, zum Ablauf und Aufarbeitung der Fälle
tagesschau24 11:00 Uhr, 22.02.2019
Anlaufstellen, Ausbildung und Kooperation mit den Behörden
De facto aber sind seine 21 Punkte ein erster Entwurf dessen, was am Ende der Konferenz die neuen Leitlinien der katholischen Kirche im Kampf gegen sexuellen Missbrauch sein könnten: dass es weltweit in den Ortskirchen unabhängige Anlaufstellen für Opfer sexuellen Missbrauchs geben soll, dass angehende Priester überall in ihrer Ausbildung sich intensiv mit dem Kampf gegen sexuellen Missbrauch beschäftigen, dass sie psychologisch überprüft werden, bevor sie ihren Dienst antreten - und dass die Kirche in allen Ländern bei Missbrauch konsequent mit den Strafermittlungsbehörden zusammenarbeitet.
Die Vorschläge finden jedenfalls den Beifall der Deutschen Bischofskonferenz. Kardinal Marx, der als einer derjenigen gilt, die Papst Franziskus zu diesem Anti-Missbrauchsgipfel gedrängt haben, machte in den tagesthemen deutlich, dass er die Initiative des Papstes auch in diesem Punkt unterstützt: "Die Gerichte müssen ein Urteil fällen, und dann kommt ein Prozess, der kirchlich sicherstellt, dass niemand, der eine Gefährdung für andere ist, weiterhin in einem Dienst in der Kirche tätig sein kann", sagte Marx. "Das muss auf jeden Fall die Linie sein."
Opferverbände: Konkrete Aktionen nötig
Die Opferverbände reagieren bislang zurückhaltend auf die 21 Punkte des Papstes - auch wenn Anerkennung zu spüren ist, unter anderem für das offene Schuldeingeständnis des Vatikans, das gestern in der Konferenz von Kardinal Luis Antonio Tagle in bislang nicht gekannter Deutlichkeit formuliert wurde.
"Wenn der Bischof aus den Philippinen sagt, wir haben in der Vergangenheit vertuscht - jawohl, das habt ihr. Und jetzt müsst ihr den Bischöfen bitte weltweit Vorgaben machen, wie sie mit Ermittlern und Untersuchungsbehörden zusammenarbeiten, um das zu beenden und für die Vergangenheit aufzuarbeiten", fordert etwa Matthias Katsch von der deutschen Betroffenenorganisation Eckiger Tisch.
Denn, so Katsch, es dürfe nicht nur bei Betroffenheit bleiben. "Es müssen halt auch konkrete Aktionen beschlossen werden."
Erstmals spricht eine Frau
Betroffenheit ist auf jeden Fall spürbar bei den Teilnehmern, heißt es von den Organisatoren des Treffens. Mit dazu beigetragen hat eine Idee, die dem Papst persönlich wichtig war.
Die Teilnehmer, darunter die Chefs aller Bischofskonferenzen weltweit, wurden zum Auftakt des Treffens mit den Schilderungen von Opfern konfrontiert. Darunter waren Erzählungen, die unter die Haut gingen. Wie die einer Frau, die von einem Priester mehr als 13 Jahre lang vergewaltigt wurde - und dreimal abtreiben musste, weil der Kirchenmann Sex ohne Verhütungsmittel wollte.
Verantwortung war das Leitthema des ersten Tages. Heute soll es um Rechenschaftspflicht gehen. Dazu wird erstmals in der Konferenz auch eine Frau sprechen: Die Theologin Linda Ghisoni, seit vergangenem Jahr Konsultorin der Glaubenskongregation. Ihr Thema vor den 180 Männern unter den 190 Teilnehmern: Gemeinsam handeln.
Missbrauchskonferenz: Papst-Vorschläge sorgen für Diskussion
Jörg Seisselberg, ARD Rom
22.02.2019 00:35 Uhr
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