
Krawalle in Los Angeles Zwischen Angst und Hilfsbereitschaft
Stand: 01.06.2020 11:27 Uhr
Los Angeles hat schon viele Krawalle erlebt - auch dieses Mal sind sie sehr heftig. Trotzdem erwächst aus dem Chaos zur Überraschung mancher Betroffener auch Hilfsbereitschaft.
Von Katharina Wilhelm, ARD-Studio Los Angeles
Schrauben, Hämmern, Sägen - diese Geräusche sind den ganzen Tag über auf der belebten Melrose Avenue in Los Angeles zu hören. Die Straße ist bekannt für hippe Restaurants und kleine, privat geführte Läden - und diese werden gerade alle verrammelt, nachdem die Demonstrationen gegen Polizeigewalt hier ihre Spuren hinterlassen haben.
Josie betreibt hier einen Schönheitssalon für Schwarze. Sie sagt, sie habe Ängste gehabt, als die Demonstranten gewalttätig wurden. Trotzdem verstehe sie zu hundert Prozent, dass es zu Gewalt komme, weil ihnen sonst nicht zugehört würde.
Holzplatten vor dem Schönheitssalon
Auch Josie hat nun Holzplatten vor ihren Laden genagelt - und lässt diese gerade von Freunden bemalen. "Black Lives Matter" steht in grauen Buchstaben auf weißem Grund geschrieben. "Wir schreiben außerdem die Namen derjenigen an die Wand, die durch Polizeigewalt umgekommen sind - der Grund, warum dies alles passiert", sagt sie.
"George Floyd" steht an der Wand, außerdem "Eric Garner" oder "Michael Brown". Alles schwarze Amerikaner, die ebenfalls bei Polizeieinsätzen getötet wurden. Sie sei schon traurig, dass sie, als ebenfalls schwarze Amerikanerin, nun einen kaputten Laden hat, trotzdem könne sie die Demonstranten verstehen: "Eigentum kann ersetzt werden, diese Leben nicht."
"Das ist beeindruckender als alles andere"
Dann kommt plötzlich der Nachbar von gegenüber vorbei. Ob die Gruppe nicht später auch das Sperrholz an seinem Restaurant anmalen wolle, fragt er. Die Hilfsbereitschaft in der Nachbarschaft sei groß, sagt Haracio Weschler, der das argentinische Restaurant "Lala" vor 25 Jahren als Immigrant aufmachte.
"Es war unglaublich, Menschen kamen mit Handschuhen, Besen und Tüten und sie wollten einfach helfen. Ein Schreiner, den ich nie getroffen habe, sagte mir: 'Ich hab zwei Hände frei, was brauchst du?'. Das ist beeindruckender als alles andere."
Auch jetzt laufen noch Menschen aus der Nachbarschaft mit Besen, Schrubbern und Putztüchern die Straßen entlang. Sie entfernen Graffitis von Schaufenstern und kehren Scherben zusammen.
"... aber das ist die falsche Botschaft"
Zusammenhalt und Solidarität - auch das sei aus diesen Protesten erwachsen, erzählen die Ladenbesitzer. Weschler ist nicht glücklich darüber, dass es so viel Gewalt gab. Sie hätten Scheiben eingeschmissen, PCs und Alkohol geklaut - teilweise einfach auch nur randaliert.
Seiner Meinung nach waren einige davon Opportunisten - Menschen, die mit dem Ziel, Protest gegen Polizeigewalt und Rassismus, wenig gemein gehabt hätten.
"Ich würde niemals Aggression mit Aggression bekämpfen. Wir müssen etwas ändern, aber das ist die falsche Botschaft."
Ungewissheit vor der Nacht
Welche Gruppen randaliert haben, die Informationen darüber sind derzeit noch unübersichtlich. Es gibt vereinzelte Polizeiberichte, dass linke Autonome mit dabei waren genauso wie weiße Nationalisten, die Geschäfte ausrauben und so dem Image der anderen Demonstranten bewusst schaden wollten. Aber es gibt auch friedliche Proteste in Los Angeles und mehr als 30 anderen amerikanischen Städten.
Horacio und Josie bereiten sich nun auf eine weitere Nacht vor, in der es Chaos, Gewalt und Proteste geben könnte, wieder vor ihrer Haustür. Wie lange dies noch geht, das kann keiner sagen.
Anti-Rassismus-Proteste in Los Angeles: Zorn, Angst, Hilfsbereitschaft
Katharina Wilhelm, ARD Los Angeles
01.06.2020 10:26 Uhr
Audio
Aus dem Archiv
Weitere Meldungen aus dem Archiv vom 01.06.2020 und vom 31.05.2020
- Alle Meldungen vom 01.06.2020 zeigen
- Alle Meldungen vom 31.05.2020 zeigen