
Fall Nawalny Moskau bestellt EU-Botschafter ein
Stand: 22.12.2020 10:32 Uhr
Der Giftanschlag auf Nawalny schlägt weiter hohe Wellen: Das russische Außenministerium hat unter anderem dem deutschen Botschafter eine Verbalnote übergeben. Zuvor hatte ein Nawalny-Telefonat mit einem mutmaßlichen FSB-Mann für Aufregung gesorgt.
Das russische Außenministerium hat hochrangige Diplomaten aus mehreren EU-Staaten - darunter auch Deutschland - zu einem Gespräch eingeladen, um per Verbalnote sein Missfallen über den Umgang dieser Länder mit dem Giftanschlag auf den Oppositionsführer Alexej Nawalny zu bekunden.
Die EU hatte im Oktober Sanktionen gegen ranghohe russische Regierungsmitglieder erlassen.
Nawalny veröffentlicht Telefonat
Nawalny hatte gestern erklärt, ein von ihm unter falschem Namen kontaktierter Mitarbeiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB habe eine Beteiligung an dem Giftanschlag auf ihn eingestanden.
Der Oppositionsführer veröffentlichte einen Mitschnitt eines Telefonats vom 14. Dezember, in dem er sich als Assistent des Chefs des russischen Sicherheitsrats ausgibt, um das Vertrauen des Mannes zu gewinnen. Der Anruf erfolgte im Zuge einer Recherche mehrerer Medien, darunter des Nachrichtenmagazins "Spiegel".
Der FSB bezeichnete das Telefonat als Fälschung und "geplante Provokation" zu seiner Diskreditierung. Es würden Ermittlungen eingeleitet.
Das Außenministerium in Moskau erklärte, das Vertrauen in die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) sei noch weiter gesunken, weil diese erneut "Geisel" derjenigen sei, die sie für geopolitische Interessen benutzten. Die OPCW hatte im Oktober die Vergiftung Nawalnys mit einem Nervengift der Nowitschok-Gruppe nachgewiesen - und damit Ergebnisse von Laboren in Deutschland, Frankreich und Schweden bestätigt.
Deutschland hatte Russland wiederholt aufgerufen, das Verbrechen aufzuklären. Russland hingegen hatte das Zurückhalten von Beweisen angeprangert.
Gift auf Innenseite der Unterhose?
Nawalny war im August auf einem Inlandsflug in Sibirien zusammengebrochen. Der mutmaßliche FSB-Mann sagte in dem nun veröffentlichten Telefonat, das Gift sei an der Innenseite von Nawalnys Unterhose angebracht gewesen. Der 44-jährige Oppositionelle habe wohl nur deshalb überlebt, weil der Flug nicht lange genug gedauert habe und Sanitäter ihn so schnell versorgt hätten.
In der vergangenen Woche hatten mehrere Medien Rechercheergebnisse veröffentlicht, denen zufolge mindestens acht russische Geheimdienstagenten den Anschlag auf Nawalny verübt haben sollen.
Erst in der vergangenen Woche sprach Präsident Wladimir Putin zwar von einer Beobachtung seines schärfsten Kritikers durch russische Geheimdienstler, schloss eine Vergiftung aber aus. Nawalny hatte den Kremlchef immer wieder als Drahtzieher des Auftragsmordes bezeichnet.
Ina Ruck, ARD Moskau, zu den Einreiseverboten gegen einzelne EU-Vertreter
tagesschau24 11:00 Uhr, 22.12.2020
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