
Kampf um Idlib Erdogan droht Syriens Armee
Stand: 12.02.2020 12:40 Uhr
Eigentlich hatten Syrien und Russland vereinbart, in Idlib eine Schutzzone einzurichten. Doch das scheint mit dem Vormarsch von Assads Armee hinfällig. Die Türkei verstärkt ihre Truppen und gibt sich kampfbereit.
In Syrien setzt das Militär von Machthaber Baschar al-Assad seine Offensive auf die Rebellenhochburg Idlib fort. Mit Unterstützung russischer und iranischer Kräfte meldet die Armee fast täglich neue Geländegewinne. Die benachbarte Türkei sieht das mit Sorge. Präsident Recep Tayyip Erdogan droht - und verstärkt seine Truppen.
Denn Erdogan steht innenpolitisch unter Druck. In den vergangenen Jahren hat das Land bereits etwa 3,4 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen. Sollte die Offensive der syrischen Truppen weitere Syrer über die Grenze in die Türkei treiben, würde die Versorgungslage noch schwieriger.
Situation der Flüchtlinge aus Idlib verschärft sich
mittagsmagazin, 12.02.2020, Alexander Stenzel, SWR
Idlib ist letzte Rebellenhochburg
Die benachbarte Region Idlib ist die letzte Rebellenhochburg in Syrien. Machthaber Assad ist entschlossen, nun das ganze Land wieder unter seine Kontrolle zu bringen. Die Türkei unterstützt die Rebellen und hatte in der Region militärische Beobachtungsposten aufgebaut. Die türkischen Soldaten sollten darüber wachen, dass die Schutzzone nicht verletzt wird, deren Einrichtung Assad und Russlands Präsident Wladimir Putin zugesagt hatten.
Doch bei der neuerlichen Offensive geraten immer wieder auch türkische Einheiten unter Beschuss. 14 Soldaten wurden nach Angaben aus Ankara bislang getötet, weitere 45 verletzt.
Erdogan droht Syriens Armee
Im Falle weiterer Angriffe droht Erdogan jetzt mit Vergeltungsschlägen auch jenseits der umkämpften Region Idlib. "Wenn den türkischen Soldaten in ihren Beobachtungsposten oder anderen Orten auch nur der kleinste Schaden zugefügt wird, dann wird die Türkei von heute an die Kräfte des Regimes überall angreifen", sagte Erdogan vor Abgeordneten seiner Regierungspartei AKP in Ankara.
Erdogan erneuerte ein auf Ende Februar befristetes Ultimatum, das er Damaskus bereits vor rund einer Woche gestellt hatte: Die Türkei sei entschlossen, das syrische Militär bis dahin wieder hinter die Grenzen der vereinbarten Schutzzone zu treiben, "also hinter unsere Beobachtungsposten", so der Präsident. Deswegen habe die Türkei ihre militärische Präsenz in Idlib in den vergangenen Tagen ernsthaft ausgebaut.
Türkische Truppen massiv verstärkt
Augenzeugen berichteten, die türkische Armee und die von ihr unterstützte Nationale Befreiungsfront würden sich auf weitere Kämpfe vorbereiten. Die Türkei verstärke ihre Beobachtungsposten mit gepanzerten Fahrzeugen, Munition und schweren Waffen. Einem Bericht der Nachrichtenagentur DHA zufolge wurden die Posten auch mit Panzern und Raketenwerfern ausgestattet.
Nach Angaben der syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte brachte die türkische Armee weitere 6000 Soldaten und 1400 Fahrzeuge nach Idlib sowie in die Gegend um Aleppo.
Erdogan telefoniert mit Putin
Inmitten der wachsenden Spannungen sprachen Kremlchef Putin und Erdogan heute in einem Telefonat über die Lage in Syrien. Nach Angaben des Kremls wollen beide Seiten an ihren bisherigen Vereinbarungen zur Lösung des Konflikts festhalten. Dazu solle es weitere Kontakte zwischen den Verteidigungs- und die Außenministerien beider Länder geben. Es seien verschiedene Aspekte einer Lösung des Konflikts besprochen worden - besonders mit Blick auf Idlib, hieß es in der russischen Mitteilung.
Zeitgleich berichtet die russische Nachrichtenagentur Interfax, Moskau werfe dem Westen eine anhaltende Unterstützung der Rebellen in Idlib vor: Die syrische Armee habe bei ihrem jüngsten Vorrücken eine große Menge an Kriegsgerät, Waffen und Munition sichergestellt, so Regierungsvertreter in Moskau und Damaskus. Demnach stammt die Ausrüstung zum Teil aus westlicher Produktion.
"Das zeugt von einer andauernden Unterstützung der Rebellen aus dem Ausland", hieß es. Konkrete Länder wurden aber nicht genannt. Auch Beweise legten beide Seiten nicht vor.
UN: Notlage der Flüchtlinge weiter verschärft
Die wieder zunehmenden Kämpfe lassen auch die Not der Zivilbevölkerung wachsen. Nach Angaben der Flüchtlingshilfe der Vereinten Nationen sind bestehende Lager und Siedlungen bereits überfüllt. Andere Unterkünfte würden immer knapper.
Die winterlichen Temperaturen verstärkten die Notlage zusätzlich. Da viele der syrischen Flüchtlinge bereits mehrmals auf der Flucht gewesen seien, hätten sie kein persönliches Hab und Gut mehr.
Wegen der neuen Gefechte haben sich den UN zufolge seit Anfang Dezember fast 700.000 Menschen in Syrien zur Flucht entschlossen.
Erdogan erhöht Druck auf syrisches Regime
Christian Buttkereit, ARD Istanbul
12.02.2020 13:42 Uhr
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