
Weltspiegel über Trump-Unterstützer "Er ist mein Präsident, nicht mein Heiland"
Stand: 09.08.2020 00:36 Uhr
Trumps Umgang mit Fakten, seine Äußerungen über Schwarze - viele US-Bürger ärgern sich zwar über den US-Präsidenten, werden ihn aber wieder wählen. Warum verzeihen sie ihm so vieles?
Von Marion Schmickler, WDR
Knapp drei Monate bis zur Wahl. Amerika ist aufgewühlt wie lange nicht. Zuerst Corona, dann die Debatte um Rassismus und Polizeigewalt. Dazwischen ein Präsident, der nur eines im Blick hat: seine Wiederwahl. Dodie und Steve Bell zittern mit ihm im November: "Trump ist gut für Amerika", sind die Unternehmer überzeugt.
Endlich brummt der Laden wieder. Nach den Monaten des Lockdowns sind Steve und Dodie froh, dass Donald Trump Druck gemacht hat und die Wirtschaft wieder anläuft. Trotz der steigenden Corona-Zahlen. "Es ging alles so schnell", erzählt Dodie, "in der ersten Woche hat das Telefon nicht ein einziges Mal geklingelt." Beängstigend sei das gewesen.
"Trump versteht was von Wirtschaft"
"Trump setzt sich für uns ein, er versteht was von Wirtschaft, weil er selbst Unternehmer ist", sagt Steve. Bei der derben Rhetorik schalten sie auf Durchzug. Wie viele Firmenbesitzer gucken sie vor allem darauf, was der Präsident für sie tut. Dass die vier Jahre unter Trump vier boomende Jahre waren, rechnen sie ihm hoch an. Dass die Wirtschaft gerade einen historischen Einbruch erlebt, sei nicht seine Schuld. "Egal, welcher Präsident im Weißen Haus gesessen hätte, wie sollte jemand so etwas einschätzen können, was wir so noch nie erlebt haben?", verteidigt ihn Dodie Bell.
Doch zurzeit liegt Trump in Umfragen zurück. Im Valley of the Sun könnte sich entscheiden, ob er es noch mal ins Weiße Haus schafft. Schon bei der vergangenen Wahl holte er den Wüstenstaat mit nur 90.000 Stimmen Vorsprung. Und diesmal? "Die Kalifornier könnten Arizona kippen", sorgt sich Steve.
Trumps Amerika
Weltspiegel, 07.08.2020
Boom in Phoenix
Tatsächlich ziehen jedes Jahr Tausende Menschen in die Wüste. Vielen ist das Leben im Silicon Valley zu teuer geworden. In Arizona gibt es günstigere Häuser, attraktive Tech-Jobs - und Sonnenschein das ganze Jahr. Phoenix wächst wie keine andere amerikanische Stadt. Früher kamen die Rentner hierher, heute sind es junge Leute, die Farbe in die politische Landschaft bringen. Der früher einmal stramm republikanische Staat könnte demokratisch werden.
In Phoenix sprechen Wände über den politischen Wandel. Überall neue Wandgemälde, riesengroße Flächen, von jungen Künstlern gestaltet. Seit dem gewaltsamen Tod von George Floyd werden sie politischer, wie überall im Land. Wie in vielen Städten solidarisieren sich die jungen Weißen mit den Schwarzen. Gemeinsam kämpfen sie gegen Trump.
Alltäglicher Rassismus
Die "Black lives matter"-Bewegung beschäftigt auch Steve Bell. Beim Pokern hat der 58-Jährige lange mit seinem schwarzen Freund über Alltagsrassismus gesprochen. Eine Geschichte schockierte ihn besonders. Sein Freund setzte seinen kleinen Sohn vor einer weißen Kirche ab, weil er dort einen weißen Klassenkameraden treffen wollte. Dann sei die Polizei aufgetaucht. Ein schwarzer Junge vor einer weißen Kirche - die Angst sei in ihm aufgestiegen, Panik. Zum Glück fuhren die Polizisten weiter. "Er hat uns gefragt: Ist euch das schon mal passiert? Habt ihr euren Kindern erklären müssen, wie sie sich zu verhalten haben, wenn die Polizei kommt?", erzählt Steve sichtlich bewegt. "Da hab ich verstanden, was weißes Privileg bedeutet."
"Einfach mal den Mund halten"
Schwarze haben in den USA ein viel höheres Risiko, durch Polizeigewalt zu sterben. Sie stellen 13 Prozent der Bevölkerung, aber 23 Prozent der von Polizisten getöteten Menschen. Der Präsident spricht lieber über absolute Zahlen. "Auch weiße Menschen werden getötet. Es sind übrigens mehr Weiße."
Steve ärgern solche Aussagen. "Ich habe das Gefühl, der killt sich selbst. Der sollte lernen, einfach mal den Mund zu halten." Dennoch wollen er und Dodie Trump wählen - wie viele in ihrer Kirchengemeinde. Die Stimmung dort? "Trump, Trump, Trump!" Natürlich sei seine Einstellung zu Frauen und sein Umgang mit der Wahrheit moralisch schwierig. Aber: "Politik ist ein schmutziges Geschäft", so Steve, der selbst acht Jahre lang Pastor war. "Ich stelle ihn nicht auf die gleiche Stufe wie Jesus. Er ist mein Präsident, nicht mein Heiland."
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