
Rede zur Lage der Nation Trump in Reinkultur
Stand: 05.02.2020 09:11 Uhr
Kurz vor dem Ende des Impeachment-Verfahrens inszeniert sich der US-Präsident als unerschütterlicher Macher, den nichts vom Kurs abbringen kann. Es ist der Auftakt für einen erbitterten Wahlkampf.
Von Sebastian Hesse, ARD-Studio Washington
Es hätte der Besuch in der Höhle des Löwen sein können: Trump, noch nicht freigesprochen im Impeachment-Verfahren, zu Gast bei denen, die über seine Amtsenthebung zu entscheiden haben.
Doch Trumps Parteifreunde stellten gleich zu Beginn klar, was sie herbeisehnen: vier weitere Jahre Trump. Warum das für das konservative Amerika wünschenswert ist, daran erinnert Trump Punkt für Punkt.
"Das große Comeback der USA auf den Weg gebracht"
"Vor drei Jahren haben wir das große Comeback der USA auf den Weg gebracht", so Trumps Botschaft. "Heute Abend möchte ich mit Ihnen die unfassbaren Ergebnisse teilen: Jobs geschaffen, Wirtschaft angekurbelt, Amerikas Ansehen in der Welt wieder hergestellt, faire Handelsabkommen verhandelt, Terroristen zur Strecke gebracht - und, und, und", lobt Trump sich selbst.
US-Präsident lobt in der Rede zur Lage der Nation seine eigene Politik
Morgenmagazin, 05.02.2020, Claudia Buckenmaier, ARD Washington
"Anders als so viele vor mir halte ich meine Versprechen" - spätestens mit diesem Satz hatte Trump die republikanische Seite voll bei sich: "USA, USA", skandierten sie, wie auf Trumps Wahlkampfveranstaltungen.
Doch die stehenden Ovationen von Trumps Parteifreunden konnten nicht hinwegtäuschen über das Offenbare: Selten - vielleicht nie - war die Atmosphäre zwischen den Parteien so vergiftet. Gastgeberin Nancy Pelosi, Trumps erbittertste Gegenspielerin, verweigerte ihm zur Begrüßung eine übliche Höflichkeitsformel. Im Gegenzug verweigerte der Präsident ihr den Handschlag.
Wahlkampfartige Attacken auf den politischen Gegner
Und zum Schluss zerriss Pelosi demonstrativ Trumps Redemanuskript, während der Präsident noch am Rednerpult stand. In dem Manuskript stehen, wenn auch wohldosiert, wahlkampfartige Attacken auf den politischen Gegner.
Ein kleiner Vorgeschmack auf den Ton, der den bevorstehenden Wahlkampf prägen dürfte: Sozialisten seien die Demokraten, die den Amerikanern ihre Krankenversicherung wegnehmen wollte - und ihre Waffen.
Das Recht auf Waffenbesitz werde er stets verteidigen, sagte Trump und stellte klar, dass schärfere Waffengesetze nicht kommen werden. Das demokratische Thema Klimawandel kam überhaupt nicht vor, auch keine andere Handreichung in Richtung des politischen Gegners. Versöhnlich war die Rede an keiner Stelle, dafür Trump in Reinkultur.
Ein bisschen Reality-TV
Und dann hatte der Präsident mit Vergangenheit als Reality-TV-Star noch zwei Einlagen, die es so noch nicht gegeben hat: Während der Rede verlieh Trump dem konservativen Talkshow-Host Rush Limbaugh, der an Lungenkrebs erkrankt ist, die Auszeichnung "Medal of Freedom".
Und er überraschte eine anwesende Soldatenfamilie damit, dass der Familienvater, den seine Angehörigen in Afghanistan vermuteten, plötzlich zur Tür herein kam: als Sinnbild dafür, dass Trump Amerikas scheinbar endlose Kriege beenden will.
Am Vorabend der Entscheidung über seine Amtsenthebung inszenierte sich der Präsident als unerschütterlicher Macher, den nichts vom Kurs abbringen kann. Offenbar kommt das auch beim Wähler an: Eine aktuelle Umfrage attestiert Trump, trotz Impeachment, die höchste Zustimmungsrate seit Beginn seiner Präsidentschaft.
Trumps Rede zur Lage der Nation
Sebastian Hesse, ARD Washington
05.02.2020 06:14 Uhr
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