
Erdbeben in Türkei und Griechenland Lebenszeichen zwischen Trümmern
Stand: 31.10.2020 10:24 Uhr
Nach dem Erdbeben, das den Westen der Türkei und die griechische Insel Samos getroffen hat, laufen die Bergungsarbeiten. Mit jeder Stunde wächst die Angst, dass die Zahl der mehr als 20 Todesopfer noch drastisch steigen könnte.
Von Karin Senz, ARD-Studio Istanbul
Verhaltener Applaus für die Helfer. Sie ziehen einen Mann aus den Trümmern - lebend, aber er ist schwer verletzt. An anderer Stelle sind Rettungskräfte schon mit schwerem Gerät zugange, mit Bagger und Preßlufthammer, die ganze Nacht hindurch. Sie haben Flutlichter aus anderen Provinzen besorgt, auch Feldbetten, Decken und Zelte. Die EU, die NATO und mehrere Länder bieten Hilfe an.
Am frühen Abend meldet sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zu Wort: "Griechenlands Ministerpräsident, Herr Mitsotakis, hat mich angerufen. Auch Griechenland ist von diesem Erdbeben betroffen. Dankenswerter Weise hat er im Namen seines Landes Hilfe angeboten, sollten wir welche brauchen. Ich habe ihm gesagt, dass das im Moment nicht nötig ist, aber dass auch die Türkei bereit ist, gegebenenfalls mit allen Kräften Griechenland beizustehen."
Nach schwerem Erdbeben in der Ägäis dauert Suche nach Vermissten an
tagesschau 12:00 Uhr, 31.10.2020, Natalie Amiri, ARD Istanbul
Mehr als 800 Verletzte
Denn nicht weit entfernt, etwas südlich liegt die griechische Insel Samos. Zwischen ihr und dem türkischen Küstenort Seferihisar lag das Epizentrum des Erdbebens in der Ägäis in rund 16 Kilometern Tiefe. Beide Küsten wurden von kleinen Tsunami getroffen. Die Ufer wurden überschwemmt.
Ein Mann ertrank auf türkischer Seite. Auf Samos kamen zwei Jugendliche ums Leben. Sie waren auf dem Heimweg von der Schule durch eine enge Gasse gelaufen und von einer umstürzenden Mauer erschlagen worden.
Stundenlang unter Trümmern verschüttet
Der türkische Landwirtschaftsminister Bekir Pakdemirli ist inzwischen in Izmir angekommen. Er telefoniert mit einer Verschütteten, Buse heißt sie. Er fragt sie, ob sie die Maschinen hören könne, die versuchen, sie zu befreien. Fast zehn Stunden nach dem Erdbeben zeigt ein Twitter-Video, wie Rettungskräfte Buse - ein junges Mädchen - aus den Trümmern ziehen. Sie ist völlig verängstigt und weint: "Holt meine Mutter", sagt sie. Sie sei im Nebenzimmer des Hauses, das nur noch ein großer Schutthaufen ist.
"Überall ist alles zusammengebrochen"
Auch noch nach 15 Stunden finden Rettungskräfte eine Frau lebend, andere Opfer können sie nur noch tot bergen. Dieser Mann hatte Glück, erzählt er einem Reporter einer Nachrichtenagentur:
"Ich hab gedacht, der Boden tut sich unter mir auf. In dem Moment kann man gar nicht mehr richtig denken. Du versuchst nur, rauszurennen. Überall ist alles zusammengebrochen. Zum Glück hat unser Laden nichts abbekommen. Wir hatten wirklich Panik und haben es gerade noch nach draußen geschafft."
Zahlreiche Nachbeben folgten
Das Beben war so stark, wie man es in Izmir schon lange nicht mehr erlebt hat, sagen Bewohner, knapp 7 auf der Richterskala. Es gab rund 300 Nachbeben. Einige sollen bei bis zu 4 gelegen haben.
Viele Menschen trauen sich die Nacht über nicht zurück in ihre Wohnungen. An einigen Gebäuden sind lange Risse zu sehen. Sie bleiben draußen.
Eine Frau läuft vor einem meterhohen Trümmerhafen auf und ab, klopft sich vor lauter Verzweiflung immer wieder auf die Schenkel, lässt sich nicht beruhigen. Hier stand mal ein mehrstöckiges Haus. Wen sie darin vermutet, die Bilder im türkischen Fernsehen lassen es offen.
Nach 15 Stunden noch Überlebende gefunden
Karin Senz, ARD Istanbul
31.10.2020 09:20 Uhr
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