
Syrien-Konflikt Türkei alarmiert die NATO
Stand: 28.02.2020 11:24 Uhr
Nach dem tödlichen Angriff auf türkische Soldaten in Syrien kommt die NATO zu einer Sondersitzung zusammen. Die Türkei hatte das Treffen gefordert. Das Militärbündnis und auch die EU warnen vor einer weiteren Eskalation.
Im Syrien-Konflikt droht das einzutreten, wovor Experten gewarnt haben: Nach einem tödlichen Angriff auf türkische Soldaten in der Provinz Idlib schaltet Ankara die NATO ein - und lässt offenbar Migranten aus Syrien in Richtung EU-Grenze weiterziehen. Menschen sind laut Medienberichten im Grenzgebiet zu Griechenland und Bulgarien in Richtung des Grenzübergangs Edirne unterwegs. In Istanbul, Izmir und anderen Städten würden Fahrzeuge organisiert, um nach Edirne zu gelangen oder in Küstenorte zu fahren, um von dort aus in Boote umzusteigen.
Türkei droht EU mit Öffnung der Grenze für Flüchtlinge
tagesschau 12:00 Uhr, 28.02.2020, Oliver Mayer-Rüth, ARD Istanbul
Stoltenberg warnt vor "gefährlicher Lage"
Die NATO berief eine Sondersitzung ihres höchsten Gremiums ein - des Nordatlantikrats. Die Türkei habe um dieses Treffen auf Grundlage von Artikel 4 gebeten, teilte das Militärbündnis mit. Artikel 4 besagt, dass jedes Mitglied jederzeit um Beratungen bitten kann, wenn es die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht sieht. Der eigentliche Bündnisfall wird in Artikel 5 geregelt.
Gudrun Engel, ARD Genf, zur Äußerung Stoltenbergs
tagesschau24 12:00 Uhr, 28.02.2020
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg rief die Konfliktparteien zur Deeskalation auf. Sie müssten die "gefährliche Lage" entschärfen und eine weitere Verschlimmerung der "schrecklichen humanitären Lage" in der Region vermeiden, sagte Stoltenberg gestern Abend nach einem Telefonat mit dem türkischen Außenminister Mevlut Cavusoglu.
Auch die EU zeigte sich besorgt und rief zu einem sofortigen Ende der Eskalation auf. Es gebe das Risiko einer "größeren, offenen internationalen militärischen Konfrontation", schrieb der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell auf Twitter. Er stellte "alle nötigen Maßnahmen" in Aussicht, um die Sicherheitsinteressen der EU zu schützen.
Der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, Stéphane Dujarric, forderte einen sofortigen Waffenstillstand. "Ohne dringendes Handeln wächst die Gefahr einer noch größeren Eskalation von Stunde zu Stunde". Es gebe keine militärische Lösung.
Russland entsendet Kriegsschiffe
Ein Sprecher des US-Außenministeriums sagte, man stehe zum NATO-Verbündeten Türkei und fordere einen sofortigen Stopp der verabscheuungswürdigen Offensive des Assad-Regimes, Russlands und der vom Iran unterstützten Streitkräfte. Es würden Optionen geprüft, wie der Türkei am besten geholfen werden könne.
Russland entsendet laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Interfax zwei mit Marschflugkörpern bestückte Kriegsschiffe ins Mittelmeer zur syrischen Küste.
Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte laut einem Bericht der Nachrichtenagentur RIA, die getöteten türkischen Soldaten hätten nicht in dem Gebiet sein sollen, das am Donnerstag angegriffen worden sei. Ankara habe Moskau nicht vorab über die Position der türkischen Soldaten informiert. Das Verteidigungsministerium betonte aber auch, dass russische Kampfjets nicht an dem Angriff beteiligt gewesen seien. Man habe alles getan, um sicherzustellen, dass die syrische Armee ihren Beschuss einstelle und Truppen das Gebiet verlassen könnten.
Bei einem Luftangriff in Idlib werden 33 türkische Soldaten getötet
tagesschau 09:00 Uhr, 28.02.2020
Türkei fliegt Vergeltungsangriffe
Bei dem Luftangriff mit 33 Toten handelt es sich um den folgenschwersten, den türkische Truppen bislang an einem Tag in dem Konflikt in Syrien verzeichnet haben. Provinzgouverneur Rahmi Dogan sagte, 36 Verletzte würden in Krankenhäusern behandelt.
Die Türkei macht für den Tod der Soldaten einen Luftangriff des syrischen Militärs verantwortlich. Als Vergeltung griff die türkische Armee in der Nacht Stellungen der syrischen Regierungstruppen östlich der Stadt Idlib an. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden mindestens 16 Menschen getötet. Sie stützt sich auf Angaben von Beobachtern vor Ort.
Der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar sagte der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge, das Militär habe mehr als 200 Regime-Ziele angegriffen und dabei 309 Soldaten "neutralisiert". Das kann getötet oder verletzt bedeuten. Außerdem seien unter anderem fünf Helikopter, 23 Panzer und Gebäude eines militärischen Hauptquartiers zerstört worden.
Die Türkei fordert eine Flugverbotszone in Nordsyrien. "Die internationale Gemeinschaft muss handeln, um Zivilisten zu schützen, und eine Flugverbotszone einrichten", schrieb der Kommunikationsdirektor von Präsident Recep Tayyip Erdogan auf Twitter.
Türkei und Russland mit unterschiedlichen Interessen
In den vergangenen Tagen hatte die türkische Regierung Tausende Soldaten nach Idlib geschickt, um die Offensive der syrischen Regierung aufzuhalten. Die Türkei unterstützt in dem Konflikt islamistische Rebellen. Mit Russland als Schutzmacht der syrischen Regierung hatte sie ein Abkommen getroffen, um in Idlib eine Deeskalationszone einzurichten und hatte dort Beobachtungsposten eingerichtet.
Eigentlich gilt auch eine Waffenruhe. In den vergangenen Wochen war das syrische Militär mit russischer Unterstützung aber weiter in dem Gebiet vorgerückt. Hunderttausende sind vor der Gewalt auf der Flucht.
33 türkische Soldaten bei Luftangriff in Idlib getötet
Thomas Bormann, ARD Istanbul
28.02.2020 06:50 Uhr
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