
UN-Sicherheitsrat "Horror syrischer Flüchtlinge vervielfacht"
Stand: 20.02.2020 03:38 Uhr
Im Nordwesten Syriens verschlechtert sich die Lage der Menschen weiter. Der Horror habe sich vervielfacht, so ein UN-Sprecher. Der Sicherheitsrat forderte eine internationale Antwort auf das Leid in Idlib.
Von Antje Passenheim, ARD-Studio New York
Ein ungewöhnlicher Einstieg in die Beschreibung einer Tragödie: Mark Lowcock empfiehlt dem UN-Sicherheitsrat einen Oscar-nominierten Dokumentarfilm. "The Cave" berichtet über eine unterirdische Klinik in der syrischen Provinz Ost-Ghuta. Dort werden Zivilisten und auch die jüngsten Opfer des Bürgerkriegs behandelt. Der UN-Nothilfekoordinator zitiert eine syrische Kinderärztin aus diesem Film:
"Dieselben Kinder, die ich in Ost-Ghuta behandelt habe, sind nun wieder in Idlib vertrieben. Immer noch im Bombenhagel, immer noch in Angst, immer noch ohne Dach über dem Kopf. Immer noch ohne Bildung. Das ist kein Leben."
Lage in Idlib
Morgenmagazin, 20.02.2020, Alexander Stenzel, ARD Kairo
Seit die syrische Regierungsarmee im vergangenen Dezember ihre Offensive auf die letzte große Rebellenhochburg um die Stadt Idlib begonnen hat, seien rund 900.000 Menschen dort auf der Flucht - über die Hälfte von ihnen Kinder. Das letzte Mal hatte Lowcock Anfang des Monats berichtet.
Tausende Menschen auf der Flucht
"Der Horror hat sich seitdem vervielfacht", mahnt Lowcock. Die heranrückenden Frontlinien hätten innerhalb weniger Tage Tausende Menschen in die Flucht geschlagen. Der UN-Mann, der schon viel gesehen hat, berichtet von Familien, die versuchten, dem "unerbittlichen Bombardement aus der Luft und vom Boden aus zu entkommen."
"Viele zu Fuß oder auf offenen Trucks bei Minusgraden, in Regen und Schnee. Stellen sie sich die Trauer von Eltern vor, die mit ihrem Kind aus einem Kriegsgebiet fliehen - um das Kind dann erfrieren zu sehen..."
Im Bombenhagel seien alleine in der ersten Monatshälfte rund 35 Kinder und etwa doppelt so viele Erwachsene gestorben. Lowcock warnte: Wenn sich nichts ändere, drohe die größte humanitäre Horrorgeschichte des 21. Jahrhunderts. Das griff auch der deutsche UN-Botschafter auf. Christoph Heusgen forderte: Die UN müssten sich stärker beteiligen.
"Es ist Zeit für den Generalsekretär, dass er sich der Herausforderung stellt. Wir haben als UN-Sicherheitsrat eine große Verantwortung, zu stoppen, was dort passiert. Wir dürfen keine Anstrengung unterlassen!"
Günter Seufert, Stiftung Wissenschaft und Politik, zur katastrophalen Lage in Idlib
Morgenmagazin, 20.02.2020
Warnung an Syrien und Russland
Die syrische Regierung, Russland und andere Verbündete wollten demonstrieren, dass es eine militärische Lösung in dem Konflikt gebe. Heusgen warnte:
"Das muss gestoppt werden, wenn wir nicht die größte humanitäre Horrorgeschichte des 21. Jahrhunderts wollen."
Der deutsche Botschafter warnte auch davor: Wenn nichts geschehe, dann könnten bald mehr Syrer außerhalb ihres Landes leben als innerhalb. Und die, die im Land blieben, würden in einem völlig zerstörten Land leben.
UN: „Horror neuer syrischer Flüchtlingskrise vervielfacht“
Antje Passenheim, ARD New York
19.02.2020 21:27 Uhr
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