
Abkommen mit Afghanistan US-Truppenabzug offenbar ungewiss
Stand: 23.01.2021 22:47 Uhr
Bis April sollen die USA alle Truppen aus Afghanistan abziehen - so ist es im Abkommen mit den Taliban vereinbart. Doch die neue US-Regierung hat Bedenken, ob die Miliz sich auch an ihre Zusagen hält.
Von Bernd Musch-Borowska, ARD-Studio Neu Delhi
In Kabul fallen die Reaktionen auf die Afghanistan-Politik der neuen US-Regierung gemischt aus. Ein vollständiger Abzug der US-Truppen wäre kein Problem für die Afghanen, meint Abdul Ahmad Amadi, ein junger Einwohner der afghanischen Hauptstadt. Doch die USA und die internationale Staatengemeinschaft müssten Afghanistan weiterhin wirtschaftlich unterstützen, sagt Amadi zu einem Reporter der Nachrichtenagentur Reuters. Andernfalls komme das Land nicht aus seiner wirtschaftlichen Krise raus.
Ein anderer, Suliman Wardak, hofft darauf, dass die USA auch in Zukunft Druck auf die Konfliktparteien in Afghanistan ausüben. Auf die Taliban, aber auch auf die Regierung, damit die Friedensgespräche zum Erfolg führen. "Ich will nicht, dass sich die Regierung mit all ihren Vorstellungen durchsetzt und auch nicht die Taliban", sagt er. Beide Seiten müssten dazu gedrängt werden, Frieden zu schließen. Nur unter starkem Druck sei das möglich, deshalb sollte der neue US-Präsident Biden auf beide Seiten einwirken.
Nur noch 2500 US-Soldaten im Land
Der vollständige Abzug der US-Truppen aus Afghanistan ist offenbar ungewiss und damit der gesamte Friedensprozess. Die neue US-Regierung werde das Abkommen mit den Taliban, das Ende Februar vergangenen Jahres in Doha unterzeichnet wurde, auf den Prüfstand stellen, teilt die Pressestelle des Weißen Hauses in Washington auf ihrer Internetseite mit. Der neue US-Sicherheitsberater, Jake Sullivan, habe seinen afghanischen Amtskollegen, Hamdullah Mohib darüber informiert, heißt es.
Mitte Januar, noch unter US-Präsident Donald Trump, war die Zahl der US-Soldatinnen und Soldaten am Hindukusch auf 2.500 reduziert worden. Bis April müssten nach der Vereinbarung von Doha alle US-Soldaten das Land verlassen.
Die Taliban haben deutlich gemacht, dass sie die Einhaltung der Vereinbarung mit den USA erwarten und darauf bestehen, dass alle fremden Truppen das Land abgezogen werden.
Terror nahm wieder zu
In den vergangenen Monaten ist jedoch die Gewalt Afghanistan deutlich angestiegen. In zahlreichen Provinzen gab es Angriffe auf staatliche Einrichtungen und Regierungssoldaten. Nach Angaben der neuen US-Regierung soll überprüft werden, ob sich die Taliban an ihre Verpflichtungen halten.
Dazu gehörten unter anderem die klare Distanzierung von Terrororganisationen wie Al-Kaida, eine Reduzierung der Gewalt in Afghanistan und ernsthafte Verhandlungen mit der Regierung in Kabul über eine dauerhafte Friedenslösung.
Verhandlungen stocken
Das anhaltend hohe Gewaltniveau in Afghanistan hat dazu geführt, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung für die Präsenz der ausländischen Truppen gesunken ist. Was habe die Präsenz der ausländischen Truppen denn gebracht, fragt ein Vater, dessen Sohn bei einem Terroranschlag im November getötet wurde. Jeden Tag gebe es Anschläge, Explosionen, Überfälle und Entführungen. Er hoffe, dass in Afghanistan bald Frieden einkehre, damit die Menschen ein normales Leben führen können.
Die Gespräche in Doha, zwischen den Taliban und Vertretern der afghanischen Regierung, treten unterdessen auf der Stelle. Vermitteln soll weiterhin Zalmay Khalilzad. Donald Trumps Sonderbeauftragter für Afghanistan wurde von US-Präsident Joe Biden übernommen. Der erfahrene Diplomat und frühere US-Botschafter in Afghanistan, im Irak und bei den Vereinten Nationen soll den vom ihm vermittelten Friedensprozess zum Erfolg führen.
Afghanistan - USA stellen Abkommen mit Taliban auf Prüfstand
Bernd Musch-Borowska, ARD Neu-Delhi
23.01.2021 21:36 Uhr
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