
Parlamentswahl in Israel Netanyahu laut Prognosen vorn
Stand: 03.03.2020 00:12 Uhr
Die Likud-Partei von Premier Netanyahu ist laut Prognosen bei der Wahl in Israel stärkste Kraft geworden. Das Bündnis von Herausforderer Gantz kommt demnach auf Platz zwei. Ein Ende der politischen Lähmung ist nicht in Sicht.
Die Likud-Partei von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu ist bei Israels dritter Parlamentswahl binnen eines Jahres laut Prognosen stärkste Kraft geworden. Demnach kam der Likud auf 36 bis 37 Mandate. Das Mitte-Bündnis Blau-Weiß des Herausforderers Benny Gantz wurde mit 32 bis 33 Mandaten nur zweitstärkste Kraft.
Netanyahu bezeichnete das Ergebnis bei Twitter als "Riesensieg für Israel". Zuvor hatte er ein Herzchen getwittert und nur "Danke" geschrieben. Parlamentspräsident Juli Edelstein schrieb bei Twitter, die Likud-Partei werde rasch eine "starke und gute Regierung bilden". Netanyahus Rivale Gantz dankte "mehr als einer Million Wählern" seiner Partei und kündigte an: "Ich werde für euch weiter um den Weg kämpfen."
Susanne Glass, ARD Tel Aviv, mit aktuellen Informationen zur Wahl in Israel
nachtmagazin 00:15 Uhr, 03.03.2020
Ein Sitz fehlt zur Mehrheit
Netanyahus rechts-religiöses Lager kommt demnach auf mindestens 59 Sitze, das Mitte-Links-Lager auf 52 bis 54 Mandate. Für eine Regierungsmehrheit sind mindestens 61 von 120 Mandaten im Parlament notwendig. Nachwahlbefragungen sind in Israel oft ungenau und weichen vom Endergebnis ab. Offizielle Resultate wurden für den Verlauf der Nacht erwartet. Sollte sich die Prognose allerdings bestätigen, bliebe das politische Patt in Israel bestehen.
Das rechte Lager besteht aus Netanyahus Likud, dem Jamina-Parteienblock von Verteidigungsminister Naftali Bennett und den strengreligiösen Parteien. Die rechtsextreme Ozma Jehudit (Jüdische Kraft) scheiterte an der Sperrklausel von 3,25 Prozent. Zum Mitte-Links-Lager wird neben Gantz' Bündnis Blau-Weiß, der linksliberalen Liste von Arbeitspartei, Merez und Gescher auch die Vereinigte Arabische Liste gezählt. Sie kommt auf 14 bis 15 Mandate. Allerdings gelten sie nicht als potenzielle Koalitionspartner. Der arabische Abgeordnete Ahmed Tibi sprach nach einem TV-Bericht von einer "Niederlage" von Blau-Weiß.
Große Koalition nur ohne Netanyahu möglich
Der Wahlerfolg des Likud kam nur zwei Wochen vor Beginn eines Korruptionsprozesses gegen den 70-jährigen Netanyahu. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft Netanjahu Betrug und Untreue sowie Bestechlichkeit vor. Es geht dabei um den Verdacht der Beeinflussung von Medien, angeblich krumme Deals mit Unternehmen und Luxusgeschenke befreundeter Geschäftsleute im Gegenzug für politische Gefälligkeiten. Der Regierungschef weist alle Vorwürfe zurück.
Rechnerisch möglich ist auch eine große Koalition von Likud und Blau-Weiß. Allerdings hatte Netanyahu im Wahlkampf betont, er strebe eine rechts-religiöse Koalition an. Gantz ist dagegen wegen der Korruptionsanklage nur zu einer großen Koalition ohne den bisherigen Premier als Regierungschef bereit.
Liebermann könnte Königsmacher werden
Ausschlaggebend für eines der beiden Lager könnte der ultrarechte Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman sein. Seine Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) erhielt den Prognosen zufolge sechs bis acht Mandate. Lieberman hatte Netanyahu nach der Wahl im April vergangenen Jahres seine Unterstützung entzogen. Hintergrund ist ein Streit mit Netanyahus strengreligiösen Bündnispartnern über die Wehrpflicht auch für ultra-orthodoxe Männer.
Das amtliche Endergebnis wird voraussichtlich in rund einer Woche vorliegen. Präsident Reuven Rivlin hat danach eine Woche Zeit zu entscheiden, wen er mit der Regierungsbildung beauftragt. Üblicherweise erhält den Auftrag der Vorsitzende der Fraktion mit den meisten Stimmen. Er hat dazu bis zu sechs Wochen Zeit. Mit der Bildung einer neuen Regierung wird daher frühestens im kommenden Monat gerechnet.
Hohe Wahlbeteiligung
Trotz der Sorge vor einer Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus war die Wahlbeteiligung bis zum Abend relativ hoch. Nach Angaben des Zentralen Wahlkomitees lag sie um 20 Uhr bei 65,5 Prozent, fast zwei Prozentpunkte mehr als zur selben Zeit bei der vorherigen Wahl im September. Dies ist die höchste Wahlbeteiligung seit 21 Jahren zu diesem Zeitpunkt.
Rivlin zeigte sich am Morgen beschämt angesichts der Polit-Dauerkrise und der dritten Wahl innerhalb eines Jahres. "Wir haben noch einen schrecklichen und schmutzigen Wahlkampf wie diesen nicht verdient", sagte er. "Wir haben eine endlose Phase der Instabilität nicht verdient. Wir haben eine Regierung verdient, die für uns arbeitet."