
Weltspiegel-Reportage US-Soldaten für mehr Sicherheit?
Stand: 18.07.2020 22:26 Uhr
Militärische Sicherheit ist Polen wichtig. Etwa 4500 US-Soldaten sind hier bereits stationiert, bald könnten es noch mehr werden. Dabei hat Warschau auch die Distanz zu Russland im Blick.
Von Olaf Bock, ARD-Studio Warschau
An der Frischen Nehrung an der polnischen Ostsee wird kräftig gebuddelt - ein neuer Kanal soll hier entstehen. Gedacht ist er für zivile Schiffe, so dass sie nicht mehr gezwungen wären, durch die benachbarten russischen Gewässer zu fahren. Von Elblag - auf Deutsch Elbing - soll die Fahrt dann direkt ins offene Meer führen.
Gut für den Handel, aber auch für die militärische Sicherheit, hatte die nationalkonservative PiS-Regierung argumentiert, als sie 2017 das 220-Millionen-Euro-Projekt in Angriff nahm. Präsident Andrzej Duda besuchte Ende Mai 2020 die Baustelle: "Es ist eine Investition, die die polnische Selbstständigkeit, Unabhängigkeit und Freiheit unterstützt. Jetzt müssen wir Russland nicht mehr um Erlaubnis bitten, wenn wir ins Frische Haff fahren."
Auch auf die militärische Bedeutung weisen die Verantwortlichen immer wieder hin. Der Kanal sei wichtig für Manöver oder Truppentransporte im Krisenfall.
Enge militärische Bindung an die USA
Solche Argumente hält der polnische General im Ruhestand, Miroslaw Rozanski, für unsinnig. Das Gewässer der Frischen Nehrung habe keinerlei strategische Bedeutung. "Wenn wir planen würden, polnische oder NATO-Truppen auf diese Weise zu verlagern zu verlagern, würden wir mit Blick auf die Nähe zu Kaliningrad wahrscheinlich für ein zweites Dünkirchen sorgen", meint er.
Polen: US-Soldaten für mehr Sicherheit?
Weltspiegel, 18.07.2020, Olaf Bock, ARD Warschau
Militärische Sicherheit ist Polen generell wichtig. Dazu gehört auch die Stationierung amerikanischer Soldaten im eigenen Land. Einige Tausend von ihnen sind schon dauerhaft in Polen stationiert. Nach der amerikanischen Entscheidung, etwa 9000 Soldaten aus Deutschland abzuziehen, könnten bald noch 1000 mehr ins Land kommen. Unklar ist, wann und wie viele genau direkt aus Deutschland hierher versetzt werden.
Die enge militärische Bindung an die USA betonen polnische Politiker immer wieder. Kürzlich lobte US-Präsident Donald Trump seinen polnischen Amtskollegen für den großen finanziellen Einsatz Polens im Rahmen der NATO. Die Polen danken ihm diese Verbundenheit mit der Idee einer amerikanischen Kaserne auf polnischem Boden. "Fort Trump" soll sie heißen.
Gemeinsames Training von Polen und Amerikanern
Wenn Trump demnächst noch mehr US-Soldaten nach Polen schickt, will die Regierung dafür Millionen Dollar springen lassen. Für General Rozanski ist das eine zu einseitige Sicht auf die NATO-Gemeinschaft: "Ich persönlich denke, dass es nicht die beste Lösung ist, so stark zu betonen, dass unsere Sicherheit dermaßen von der polnisch-amerikanischen Zusammenarbeit abhängt."
Auf der Militärbasis Drawsko üben Amerikaner mit Polen gemeinsam für den Ernstfall. Brigadekommandant Scott O'Neal lobt die Zusammenarbeit: "Ich denke, dass wir von den Polen genauso viel lernen werden, wie sie von uns." Dass schon bald noch mehr amerikanische Soldaten nach Polen kommen, freut seinen Partner von der polnischen Armee. "Je mehr Soldaten, desto besser", meint Stabsfähnrich Marcin Czerwinski. "Wie mal jemand sagte: Lasst uns auf den Krieg vorbereiten, damit es ihn nicht gibt."
US-Soldaten näher an Russland
Bald noch mehr US-Truppen in Polen? Damit sind sie aber auch näher an Russland. Über politische Hintergründe kann und will der amerikanische Brigadekommandant nicht sprechen. O'Neal betont: "Wir sind nicht wegen eines konkreten Gegners hier. Um ehrlich zu sein, sind wir hier, um für Ruhe vor regionalen Angriffen und für Stabilität zu sorgen."
Demnächst kommen also mehr US-Soldaten nach Polen und ein umstrittener Kanal entsteht. Beides zusammen zeigt: Die polnische Regierung setzt auf Verteidigungsbereitschaft und auf Distanz, vor allem zum russischen Nachbarn ganz in der Nähe.
Mehr zu diesem und anderen Themen sehen Sie am Sonntag um 19.20 Uhr im Weltspiegel im Ersten.
Anmerkung der Redaktion: Der Teaser des Textes enthielt irrtümlich eine falsche Angabe zur Zahl der bereits in Polen stationierten US-amerikanischen Soldaten. Diese ist nun auf 4500 korrigiert.
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