
Brustkrebs-Bluttest Vom "Meilenstein" zur Misere
Stand: 30.05.2019 09:27 Uhr
Ein Brustkrebs-Bluttest von Forschern des Uniklinikums Heidelberg war als "Meilenstein" angekündigt worden. Nun ist strittig, ob er überhaupt existiert. Der Vorstand steht unter Druck. Und die Forscher?
Von Julia Henninger und Sebastian Deliga, SWR
Die Professoren Christof Sohn und Sarah Schott hatten auf einer Pressekonferenz im Februar 2019 jenen Test vorgestellt, der Brustkrebs erkennen soll - nur durch ein paar Blutstropfen.
Die Nachricht hatte große Auswirkungen: Die "Bild"-Zeitung berichtete von einer "Weltsensation". Die Tagesthemen sendeten am Tag der Pressekonferenz einen Bericht, in dem Sohn den Test als "Meilenstein" der Brustkrebs-Diagnostik bezeichnete. Schon damals äußerten sich in dem Beitrag Frauenärztinnen skeptisch. Zu Recht, wie später herauskommt: Der Test ist noch gar nicht marktreif.
Und nun? Sohn und Schott forschen weiter an dem Bluttest. Auch das Uniklinikum bestätigt: "Sohn wurden in Bezug auf seine wissenschaftliche Tätigkeit keine Auflagen gemacht." Dabei haben die beiden Professoren ihn selbst mit in Verruf gebracht. Die Konsequenzen für sie nach dem Skandal? Bisher anscheinend keine.
Vermeintlicher Meilenstein gegen Brustkrebs wird zum Skandal
tagesthemen 22:15 Uhr, 07.05.2019, S. Deliga/J. Henninger, SWR
Wie weit ist der Bluttest wirklich?
Inzwischen berichtet die "Süddeutsche Zeitung", dass der Bluttest gar nicht existiere und beruft sich dabei auf ein internes Papier. In dem Schreiben, das auch dem SWR vorliegt, steht, es handele sich zwar um "einen hoch interessanten diagnostischen Ansatz". Es liege aber noch kein Produktprototyp vor. Die Uniklinik reagierte: Es gebe noch keinen Test-Kit, "der eine Marktreife hat".
Die Firma, die den Bluttest vermarkten soll, die Heiscreen GmbH, widerspricht: Der Eindruck, es gebe keinen Bluttest, sei falsch: "Es gibt einen Bluttest für Brustkrebs, der unter Laborbedingungen im Universitätsklinikum Heidelberg bereits funktioniert und in der klinischen Forschung angewendet werden kann." Zudem sei bereits ein Prototyp-Kit im Rahmen einer Machbarkeitsstudie entwickelt worden. Insgesamt seien bereits 3000 Proben untersucht worden.
Zuletzt standen in Heidelberg vor allem Mitglieder des Klinikvorstands im Zentrum der öffentlichen Kritik. Die Vorstandsmitglieder sollen von der PR-Aktion im Februar gewusst und sie durchgewunken haben - obwohl es schon Zweifel gab.
Aufsichtsrat tagt
Wie SWR erfuhr, will sich heute der Aufsichtsrat des Klinikums zu einer außerordentlichen Sitzung treffen. Ein Feiertag, doch zum Feiern dürfte niemandem zumute sein. Offen ist, ob es dort um die Köpfe einzelner Vorstandsmitglieder gehen könnte.
Bisher traf die ganze Affäre nur einen: Den Leiter des Geschäftsbereichs Recht und Drittmittelmanagement. Mittlerweile wurde er von allen seinen Aufgaben freigestellt, die Gründe werden bisher nicht klar benannt.
Ob die Klinikvorstände um ihre Jobs bangen müssen, ist unklar. Ebenso, ob damit überhaupt die Hauptverantwortlichen getroffen würden. Es stellt sich die Frage, wo eigentlich jene sind, die im Februar noch auf dem Podium der Pressekonferenz saßen und sich für Hochglanzmagazine wie Halbgötter in Weiß fotografieren ließen: Sohn und Schott.
Auffällig: Sie gehören nicht nur als Professoren der Universität Heidelberg an, sondern sind auch Gesellschafter der Firma, die den Bluttest vermarkten soll, der Heiscreen GmbH.
Der Traum vom Hollywood-Star als Werbeträger
Sohn war es, der seinen Freund Jürgen Harder als Investor in die Firma holte. Ein Unternehmer, der in den bunten Blättern vor allem als Lebenspartner an der Seite von Franziska van Almsick bekannt wurde.
Die Glamour-Seite des Bluttests scheint Sohn schon früh entdeckt zu haben: Sogar Hollywood-Star Angelina Jolie und Harder-Lebensgefährtin Franziska van Almsick sollten als Werbeträger des Bluttests angefragt werden. Das Uniklinikum bestätigt: "Die Idee, Frau Jolie oder Frau van Almsick in die Öffentlichkeitsarbeit einzubeziehen, stammt von Seiten des Investors und wurde dem Vorstand durch Professor Sohn dargelegt. Diesem Anliegen wurde nicht nachgekommen."
Hinzu kommt: Sohn ließ sich in den Medien als Erfinder des Bluttests feiern. Tatsächlich hat die Chinesin Rongxi Yang, die in Heidelberg forschte, den ursprünglichen Test entwickelt. Ihre Mentorin war die Wissenschaftlerin Barbara Burwinkel - beide im Verantwortungsbereich von Professor Sohn. Allerdings habe dieser nach mehreren übereinstimmenden Aussagen für diese Forschungen kein großes Interesse gezeigt.
Doch dann gelang es Rongxi Yang, die Chemie-Firma NKY aus China für die Bluttest-Forschungen zu interessieren. NKY wollte einen Millionenbetrag investieren. Die Chinesin fühlt sich herausgedrängt und verließ das Projekt Mitte 2017. Sohn und Schott übernahmen. Doch mit dem Test gab es Probleme. Yang wurde im August 2018 gefragt, ob sie kommen und das aufklären könne. Sie blieb in China.
Ministerium sieht Interessenskonflikte
Am 22. August 2017 nahm Sohn laut einem internen Protokoll, das dem SWR vorliegt, an einer internen Sitzung teil. Laut diesem Protokoll dürfen Professoren nicht Gesellschafter einer Firma sein. Das Papier verweist auf ein Antikorruptionsgesetz. Das überrascht, denn Professor Sohn wurde kurze Zeit später selbst Gesellschafter der Heiscreen GmbH - und sogar noch einer zweiten Firma.
Das baden-württembergische Wissenschaftsministerium sagt, das Antikorruptionsgesetz trifft auf diesen Fall nicht zu. Zumindest sei Professoren nicht verboten, Anteile an GmbHs zu erwerben. Allerdings sieht das Ministerium Interessenkonflikte, wenn ein Beamter wie Sohn gleichzeitig Geschäftsführer wird. Diese Funktion bekleidete Sohn nämlich ebenfalls von 2017 bis Februar 2019. Sohn selbst steht für Anfragen nicht zur Verfügung.
Und der Bluttest? Sohn und Schott forschen weiter. Mittlerweile haben aber sowohl das Uniklinikum als auch die Universität Heidelberg Prüfungskommissionen eingesetzt, um den Fall aufzuklären.