
Festnahmen in Berlin Proteste gegen Corona-Politik eskalieren
Stand: 29.08.2020 18:59 Uhr
Mehr als 30.000 Menschen haben in Berlin gegen die Corona-Politik der Bundesregierung demonstriert. Teilweise gab es Ausschreitungen: Die Polizei nahm insgesamt 300 Menschen fest - darunter auch einen bekannten Verschwörungstheoretiker.
Noch immer sind Zehntausende Anti-Corona-Demonstranten in Berlin unterwegs. Rund um die Siegessäule blieb die Lage bisher friedlich, doch in der Nähe der russischen Botschaft eskalierte der Protest: Nach Auskunft des Berliner Innensenators Andreas Geisel gab es dort "gewalttätige Auseinandersetzungen" mit bis zu 3000 Reichsbürgern und Rechtsextremen. Dabei wurden laut Geisel sieben Beamte verletzt. Die Polizei nahm 200 Demonstranten fest. Unter ihnen war auch der Verschwörungstheoretiker Attila Hildmann.
Auch andernorts kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen: Straßen wurden vorübergehend blockiert und ein Baucontainer angezündet. Am Reichstagsgebäude durchbrachen Demonstranten eine Absperrung. Sie seien die Treppe hoch gestürmt, berichtete ein dpa-Reporter am Ort. Polizeibeamte drängten die Menschen zurück. Die Polizei setzte Pfefferspray ein, es kam zu Rangeleien. Am Reichstagsgebäude hatte es zuvor eine Kundgebung gegeben.
Die Polizei war mit rund 3000 Beamten im Einsatz. Ein Hubschrauber lieferte der Einsatzleitung Bilder aus der Luft. Laut Geisel zählte die Polizei bis zu 38.000 Demonstranten an mehreren Orten in der Stadt. Insgesamt seien 300 Menschen vorübergehend festgenommen worden.
38.000 Menschen demonstrieren gegen Corona-Maßnahmen
tagesschau 20:00 Uhr, 29.08.2020, Tina Handel, RBB
Demo aufgelöst, Kundgebung läuft noch
Nachdem am Mittag eine Demonstration wegen nicht eingehaltener Mindestabstände aufgelöst worden war, versammelten sich viele Demonstranten zu einer Kundgebung an der Siegessäule. Bei dieser Versammlung wurden die Corona-Schutzauflagen laut Polizei besser beachtet als bei der vorherigen Demo.
Initiator Michael Ballweg von der Stuttgarter Initiative Querdenken 711 forderte dabei die Aufhebung aller zum Schutz vor der Corona-Pandemie erlassenen Gesetze sowie die sofortige Abdankung der Bundesregierung. Dafür bekam er großen Beifall. Zugleich dankte Ballweg der Berliner Polizei, "die uns ermöglichte, hier friedlich zu demonstrieren".
Demonstranten skandieren "Wir sind das Volk"
Auf Transparenten wurde der Rücktritt der Bundesregierung sowie ein Ende der Schutzauflagen und Alltagsbeschränkungen wegen der Corona-Pandemie gefordert. Auf Plakaten stand "Stoppt den Corona-Wahnsinn" und "Corona-Diktatur beenden". Immer wieder skandierte die Menge "Widerstand" und "Wir sind das Volk".
Auch AfD-Politiker und andere rechte Gruppen hatten zur Teilnahme aufgerufen. Am Brandenburger Tor und anderen Orten waren Flaggen mit Reichsadler, T-Shirts mit Frakturschrift und andere Symbole von Rechtsextremisten zu sehen. Insgesamt versammelte sich auf der Friedrichstraße, wo die Demo starten sollte, allerdings eine sehr breite Mischung aus Bürgern, darunter Junge und Alte sowie auch Familien mit Kindern. Viele setzten sich während der langen Wartezeit auf die Straße.
Verbot der Demos scheiterte vor Gericht
Eigentlich wollten die Berliner Behörden die Versammlungen vorab verbieten. Als Grund für die Verbotsverfügung hatte die Polizei angeführt, dass durch die Ansammlung Zehntausender Menschen - oft ohne Maske und Abstand - ein zu hohes Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung entstehe. Das habe bereits die Demonstration gegen die Corona-Politik am 1. August in Berlin gezeigt, bei der die meisten Demonstranten bewusst Hygieneregeln ignoriert hätten.
Allerdings unterlagen die Behörden vor Gerichten. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin gegen die Verbotsverfügung der Polizei wurde in der Nacht zum Samstag bekannt. Die Richter argumentierten, die Anmelder der Demonstrationen hätten "konkrete individuelle Hygienekonzepte" vorgelegt. Sowohl die "ausreichend dimensionierten Versammlungsflächen" als auch die Zahl der eingesetzten Ordner und Deeskalations-Teams würden kein Versammlungsverbot rechtfertigen.
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