
Ende der Quarantäne Zwei Wochen in der Corona-Kaserne
Stand: 07.12.2020 12:29 Uhr
Zwei Wochen haben 122 deutsche Rückkehrer aus China unter Quarantäne in einer Kaserne in Germersheim verbracht. Und mit ihnen 22 Rot-Kreuz-Mitarbeiter. Einer von ihnen berichtete über den Alltag im Ausnahmezustand.
Von Axel John, SWR
Oliver Talke steht am Rande des Pressetermins vor der Südpfalz-Kaserne in Germersheim. Der Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes ist geschafft, aber glücklich. Vor wenigen Minuten durfte auch er das Kasernengelände das erste Mal nach zwei Wochen verlassen - zusammen mit 122 Heimkehrern aus dem chinesischen Wuhan.
Talke gehört zu den 22 DRK-Mitarbeitern, die freiwillig in Quarantäne gegangen sind, um sich um die Gruppe zu kümmern. Man wusste nicht, ob die Rückkehrer das Coronavirus in sich tragen. Mit der Isolation wollten die Behörden eine Ausbreitung in Deutschland vermeiden. Anfang Februar waren die deutschen Staatsbürger aus China ausgeflogen worden.
Deutsche Chinaheimkehrer gesund aus Quarantäne entlassen
tagesthemen 22:45 Uhr, 16.02.2020, Axel John, SWR
Lob für so viel Zivilcourage
Nach langem Warten spricht der Staatssekretär aus dem Bundesgesundheitsministerium, Thomas Gebhart, die erlösenden Worte: "Alle Insassen sind nochmals auf das Virus geprüft worden. Zusätzlich hat es eine ärztliche Abschlussuntersuchung gegeben. Alle Tests waren komplett negativ. Die Rückkehrer aus Wuhan können jetzt gesund zu ihren Familien zurückkehren. Die Quarantäne ist aufgehoben."
Und Landrat Fritz Brechtel betont: "Ich möchte mich besonders bei den Mitarbeitern des Deutschen Roten Kreuzes bedanken. Dass 22 Helfer freiwillig in die Quarantäne-Station gegangen sind, ist aus meiner Sicht ein herausragendes Beispiel für Zivilcourage." Wenige Minuten vor der Pressekonferenz hatten die China-Rückkehrer die Südpfalz-Kaserne verlassen und sich auf den Weg in ihre Heimatorte gemacht.
"Jeder musste vor Jedem ein bisschen Angst haben“
Oliver Talke freut sich über das Lob. Einen solch langen und auch risikoreichen Einsatz wie in Germersheim hat Talke für das DRK noch nie absolviert. "Meine Hauptsorge war, dass ich mich vielleicht doch bei jemanden anstecken könnte. Jeder musste vor Jedem ein bisschen Angst haben", berichtet er. "Wir haben sehr darauf geachtet, dass die hygienischen Vorgaben eingehalten werden."
Würde er den Einsatz nochmal antreten? "Ja, natürlich", erwidert Talke sofort. "Ich glaube, ich spreche für alle Kollegen, die mit in Quarantäne waren. Es würde wohl niemand sagen, da gehe ich nicht mit." Wahrscheinlich würden sich sogar noch mehr Mitarbeiter des DRK melden. "Meine Lebensgefährtin wollte ursprünglich auch freiwillig mit in diesen Einsatz. Wir sind in der gleichen Einheit beim DRK. Wenn aber drinnen etwas passiert wäre, wären wir beide auf längere Zeit nicht mehr rausgekommen."
Am Ende ging dann Oliver Talke. Ihm und seinen Kollegen blieben Ende Januar zwei Tage Vorbereitung. Dann waren die 124 Heimkehrer aus Wuhan in Germersheim. Der Anfang der Quarantäne sei psychisch und körperlich anstrengend gewesen, erzählt Talke. Zunächst habe auch das DRK-Team lernen müssen, sich gegen das Coronavirus zu schützen.
Momente der Angst
Die Angst vor Ansteckung sei dann noch gewachsen, als wenige Stunden nach der Ankunft in der Südpfalzkaserne der Erreger bei zwei Männern festgestellt worden war. Beide Patienten wurden in das Uniklinikum nach Frankfurt am Main gebracht. Inzwischen sind auch sie entlassen worden.
Die übrigen China-Heimkehrer erholten sich nach den Reise-Strapazen in den ersten Tagen schnell, berichtet Talke. Einige schilderten den DRK-Helfern ihre teils beklemmenden Eindrücke aus der Geisterstadt Wuhan. "Viele hatten ja schon Wochen darauf gewartet, dass sie dort raus können. Sie hatten dort natürlich auch Angst." Man habe vielen die Erleichterung angemerkt, jetzt wieder in Deutschland zu sein. "Und mit jeder Untersuchung, die gut verlief, wurde die Erleichterung noch größer - und damit auch die Vorfreude bald wieder bei den Familienangehörigen zu sein."
Die Sorge um Freunde in Wuhan begleitete viele Rückkehrer. Über Internet und Fernsehen hätten viele die weitere Entwicklung in der Krisenregion verfolgt.
Ihr Quartier in Quarantäne bezog die Gruppe in einem freistehenden Gebäude der Südpfalz-Kaserne. Das Haus war erst im vergangenen Jahr saniert worden. Jedem Heimkehrer stand ein Einzelzimmer zur Verfügung - mit eigenem Bad. Auf die Trennung hatten Mediziner aus hygienischen Gründen bestanden, um so eine eventuelle Ausbreitung des Virus zu verhindern. Nur Eltern durften mit ihren Kindern die Zimmer gemeinsam beziehen.
Alltag trotz Ausnahmezustand
Talke erzählt, im Laufe der Zeit sei aus Helfern und Heimkehrern eine Gemeinschaft geworden - trotz Mundschutz und Gummihandschuhen im täglichen Umgang. Der Alltag in der Quarantäne-Station habe sich schnell zur Routine entwickelt. So wurden die Insassen täglich etwa auf Atemwegs- und Verdauungsprobleme untersucht und ihre Temperatur gemessen.
Das DRK, erzählt Talke, sei im Prinzip für alle Abläufe im Quarantänebereich zuständig gewesen: vom Reinigen der Zimmer, über die Ausgabe von Essen bis hin zur Organisation von Nagelscheren für Kleinkinder. Nach einem Dauereinsatz fast rund um die Uhr konnten die DRK-Helfer dann zu einem geregelten Schichtbetrieb übergehen - mit einem geregelten Feierabend und mehrstündiger Nachtruhe.
Keine Angst vor Ausbreitung in Deutschland
Inzwischen ist Oliver Talke in sein Auto gestiegen und macht sich auf den Nachhauseweg in den Westerwald. Sorgen, er könne in seinem Alltag aus Angst vor dem Coronavirus gemieden oder sogar abgelehnt werden, hat er nicht. Er fürchtet auch keine Ausbreitung des Erregers in Deutschland: "Die hygienischen und ärztlichen Bedingungen sind ganz andere als in China oder in Afrika. Ich kann nur appellieren, dass man sich gerade jetzt besonders gründlich und regelmäßig die Hände wäscht. Und wer irgendwelche Anzeichen hat, sollte schnell zum Arzt geht. Da wäre schon viel gewonnen."
Über Fragen rund um Corona will sich Oliver Talke aber keine Gedanken mehr machen. Von Germersheim bis in den Westerwald hat er jetzt noch eine gute Stunde Fahrt vor sich. "Wenn man sich mehr als 14 Tage nicht gesehen hat, ist man froh, wenn man seine Partnerin wieder in den Arm nehmen kann. Darauf freue ich mich jetzt!"
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