
CSU-Klausur in Seeon Neue Kraft durch gemäßigte Töne
Stand: 06.01.2020 01:47 Uhr
Die CSU-Landesgruppe im Bundestag trifft sich ab heute zu ihrer traditionellen Neujahrsklausur in Seeon. Diesmal setzt sie offenbar eher auf Milde als auf Krawall. Das war nicht immer so.
Von Franka Welz, ARD-Hauptstadtstudio
"Wenn die ganze deutsche Politik noch ein bisschen sich im Winterschlaf befindet, dann werden sie von der CSU alle wachgerüttelt." Mit diesen Worten beschreibt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt das jährliche CSU-Treffen im Kloster Seeon in Oberbayern.
Die Klausurtagung der CSU-Abgeordneten im Deutschen Bundestag war auch für Medienvertreter oft so etwas wie Krawalltourismus, denn "wir haben den Familienstatus immer wieder mal über all die Jahrzehnte stärker herausgefordert", erklärte der vermutlich bewusst tiefstapelnde CSU-Chef Markus Söder unlängst auf dem Parteitag der CDU in Leipzig.
Heftiger Streit mit der CDU über die Flüchtlingspolitik
Seit dem Trennungsbeschluss bei der ersten Klausurtagung der CSU-Bundestagsfraktion 1976 in Wildbad Kreuth, also der - letztlich kurzlebigen - Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU durch die kleine Schwester, ist der legendäre Geist von Kreuth immer wieder in die CSU gefahren - besonders heftig zuletzt zwischen 2015 und 2018, während des Streits über die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Die CSU-Politiker waren auf den Treffen in den vergangenen Jahren allesamt auf Krawall gebürstet: "Es geht schon um den Bestand der Union. Das ist eine existenzielle Geschichte", sagte Ex-Ministerpräsident Horst Seehofer. "Wir wollen den Asyltourismus in Europa beenden", polterte Söder und Dobrindt prägte das Unwort des Jahres 2018 mit der Äußerung: "Es ist nicht akzeptabel, dass eine Anti-Abschiebe-Industrie dafür sorgt, dass die Bemühungen des Rechtsstaates unterlaufen werden." Von "geschwisterlichen Freundschaft", die Seehofer noch 2017 beschwor, schien schon ein Jahr später nicht mehr allzu viel übrig.
Versöhnliche Töne seit der Landtagswahl
Im Januar 2019 herrschte dagegen in Seeon bei denselben Protagonisten ein deutlich anderer Ton: "Das höchste Gut, das wir als Union haben, ist die Geschlossenheit", sagte Seehofer damals. Ein offenbar geläuterter Dobrindt versprach: "Wir wollen den Zusammenhalt, die Schicksalsgemeinschaft offensiv zeigen." Und Söder wiederum beteuerte verschmitzt: "Streit langweilt und Streit nervt und deswegen sind wir da alle jetzt irgendwie konstruktiv beseelt, das besser zu machen."
Die bayerische Landtagswahl im Herbst 2018 erwies sich offenbar als heilsamer Schock - mit für CSU-Verhältnisse blamablen 37 Prozent und aus dem Stand rund 10 Prozent für die AfD. Die pragmatischen Bayern legten die rechte Rhetorik ad acta, gingen in sich und auf die große Schwester zu, die die ausgestreckte Hand nur zu gerne annahm. "Unter Schwestern - ich bin ja selbst mit fünf Geschwistern groß geworden - gilt der alte Spruch: Man streitet sich untereinander, aber wenn die Nachbarskinder kommen, dann hält man zusammen. Und so wird das auch in der Zusammenarbeit für diese Bundesregierung sein", sinnierte die damals frisch zur CDU-Chefin gewählte Annegret Kramp-Karrenbauer Anfang 2019 in Seeon.
Neue Verhältnisse in Großer Koalition
Ein Jahr später reibt sich allerdings manch ein Beobachter verwundert die Augen mit Blick auf die Verhältnisse in der Großen Koalition, denn CSU-Landesgruppenchef Dobrindt hat nicht Unrecht, wenn er sagt, "dass die CSU der Stabilitätsanker ist, das haben viele auch festgestellt inzwischen. Wir haben die Diskussionen in der SPD, wir kennen die Situation der CDU."
Die hadert inzwischen sehr mit sich und ihrer Chefin. Söder hat dagegen seinen Laden, trotz einigen Grummelns, weitgehend im Griff. Er entdeckt sein Herz für Bienen, umarmt Bäume und die Zusammenarbeit mit den CSU-Bundestagsabgeordneten verläuft geradezu geräuschlos. Auch in der Mäßigung liegt also eine gewisse Kraft.