
Corona-Proteste in Berlin Polizei löst Kundgebung auf
Stand: 01.08.2020 17:48 Uhr
Zur Stunde ziehen Tausende Menschen in der Berliner Innenstadt gegen die Corona-Politik auf die Straße. Da sich viele Teilnehmer nicht an die Schutzmaßnahmen halten, will die Polizei die Kundgebung am Brandenburger Tor auflösen.
Verschiedene Initiativen demonstrieren seit dem Vormittag in Berlin gegen Corona-Schutzmaßnahmen. Eine Kundgebung am Brandenburger Tor von Corona-Gegnern will die Polizei auflösen. Die Veranstalter seien nicht in der Lage, die Hygienemaßnahmen einzuhalten, sagte ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur. Entsprechende Maßnahmen würden vorbereitet. Bei der Kundgebung hatten sich am Samstag nach Polizeiangaben etwa 20.000 Menschen auf der Straße des 17. Juni nahe des Brandenburger Tores versammelt.
Die Demonstration war von der Stuttgarter Initiative Querdenken angemeldet worden, aber auch Berliner Bündnisse und Parteien wie die AfD und NPD hatten deutschlandweit dazu aufgerufen, nach Berlin zu kommen. Der Protest richtet sich gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus.
Corona-Demo von Veranstalter abgesagt
Zurvor protestierten Teilnehmer einer "Versammlung für die Freiheit" gegen die Corona-Politik der Bundesregierung. Die Polizei ging in Spitzenzeiten von rund 17.000 Teilnehmern aus, sagte eine Sprecherin dem rbb. Die Demonstranten forderten ein Ende aller Auflagen.
Nach Polizeiangaben wurden dabei die Hygienevorgaben wie Abstand und Mund-Nasen-Schutz nicht eingehalten. Einsatzkräfte gingen dagegen zunächst mit Lautsprecherdurchsagen oder Einzelansprachen vor. "Darüber hinaus werden Verstöße dokumentiert, sodass auch im Nachgang die Ahndung von Verstößen möglich ist", kündigte die Polizei an. Zudem gab es erste juristische Konsequenzen. "Aufgrund der Nichteinhaltung der Hygieneregeln wurde eine Strafanzeige gegen den Leiter der Versammlung gefertigt", twitterte die Polizei.
Die Veranstalter erklärten die Veranstaltung anschließend für beendet. Die unabhängig von der Demonstration anschließend angemeldete Kundgebung war bis zur Auflösung zunächst davon nicht betroffen.
Maske als Zeichen der Unterwerfung
Die Polizei ist mit etwa 1.100 Einsatzkräften in der Innenstadt unterwegs. Sie wies mithilfe von Lautsprechern über den ganzen Tag "vehement" auf die Einhaltung der Auflagen hin. Auf Fotos der Veranstaltung waren die Demonstranten weitgehend ohne Mund-Nasen-Bedeckung und ohne Abstand zu sehen.
rbb-Reporter berichten von Teilnehmern in Thor Steinar-Kleidung und Compact Shirts - diese sind dem rechten Spektrum zuzuordnen. Auch Shirts mit Aufdruck der Verschwörung "QAnon" waren zu sehen. Zudem wurden Deutschland-Flaggen und Reichsflaggen geschwenkt. "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Freiheit klaut", skandierten Teilnehmer. Eine Teilnehmerin schilderte, dass sie die Maske als Zeichen der Unterwerfung und als "Maulkorb" wahrnehme.
Kritik an Demo-Teilnehmern
Unverständnis für die Demo gab es von politischer Seite. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken schrieb auf Twitter: "Tausende #Covidioten feiern sich in #Berlin als "die zweite Welle", ohne Abstand, ohne Maske. Sie gefährden damit nicht nur unsere Gesundheit, sie gefährden unsere Erfolge gegen die Pandemie und für die Belebung von Wirtschaft, Bildung und Gesellschaft. Unverantwortlich!"
Brandenburgs CDU-Landtagsfraktionschef Jan Redmann schrieb auf Twitter: "Wieder 1000 Neuinfektionen/Tag und in Berlin wird gegen Coronaauflagen demonstriert? Diesen gefährlichen Blödsinn können wir uns nicht mehr leisten."
Gegenkundgebung gestartet
Auch Gegenkundgebungen des "Berliner Bündnis gegen Rechts" und der "Omas gegen Rechts" fanden am Vormittag statt. Die Demonstranten versammelten sich am Pariser Platz und am Holocaust-Mahnmal. Wie die Veranstalter auf Twitter mitteilten, nahmen etwa 300 Menschen an dem Gegenprotest teil.
Élodie Arnauld, Sprecherin Bündnis gegen Rechts, sagte am Morgen im rbb: Es gehe nicht, dass rassistischen, antisemitischen und offen neonazistischen Strukturen ein Platz geboten werde, um Angst und Hetze und Verschwörungsmythen zu verbreiten. "Wir sehen alle, wozu Verschwörungsmythen führen. Hanau, Halle und der Mord an Walter Lübcke sind nur einige Beispiele, und wir können das nicht einfach weiter so passieren lassen."
22.000 Demonstranten an diesem Wochenende
Insgesamt werden an diesem Wochenende etwa 22.000 Demonstranten in der Hauptstadt erwartet. Nach rbb-Informationen sind Menschen etwa mit Bussen etwa aus Baden-Württemberg angereist. "Auch die verschiedensten Neonazi-Organisationen haben aufgerufen, daran teilzunehmen", sagte Geisel.
Regierender Bürgermeister Michael Müller appeliert an Vernunft
Bei sommerlichen Temperaturen ist zudem auch wieder mit illegalen Partys in den Parks zu rechnen. Insgesamt sind 80 Versammlungen am Wochenende in Berlin angemeldet. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) appellierte in diesem Zusammenhang an die Vernunft aller Beteiligten. Das Demonstrationsrecht sein "ein hohes Gut", er erwarte aber, dass " jeder Teilnehmer auch die Regeln beachtet und sich verantwortungsvoll verhält." Corona sei gefährlich sei, mahnte Müller. "Die Infektions- und Todeszahlen haben dies in den vergangenen Monaten deutlich gemacht. Die Situation bleibt weiterhin ernst, das bestätigen uns auch die Wissenschaftler, und das sehen wir auch in anderen Ländern."
In Stuttgart hatte "Querdenken 711" zudem wiederholt gegen Auflagen zur Eindämmung des Coronavirus und für die Wahrung der Grundrechte demonstriert. Die Initiative unterstützt nach eigener Darstellung selbstständiges Denken, Nachprüfen von Quellen und die Bildung einer eigenen Meinung.
Weitere Demos und illegale Partys
Am Abend (20 bis 23 Uhr) ist dann auch noch eine Fahrrad-Demonstration mit 400 angemeldeten Teilnehmern geplant. Laut Polizei soll sie in Neukölln am Herrfurthplatz starten. Diese wollen unter anderem gegen Räumungen, zum Beispiel der Kiezkneipe "Syndikat", demonstrieren.
Eine Versammlung am Lustgarten zum Thema Corona-Politik, angemeldet von einer Einzelperson, sei verboten worden, hieß es von der Polizei, ohne dass Gründe genannt wurden.
Die Polizei begleitet nicht nur die größeren Demos, auch etliche kleinere müssten im Blick behalten werden. Hinzu kämen Partys in Parks und Grünanlagen. So erwartet die Polizei vor allem Treffen im Mauerpark, im Park am Gleisdreieck und im Volkspark Hasenheide.
Sendung: Abendschau, 01.08.2020, 19:30 Uhr