
FDP-Parteitag Neues Personal - neues Glück?
Stand: 19.09.2020 03:42 Uhr
Schlechte Wahlergebnisse, schlechte Umfragewerte, eine angekratzte Partei. Mit einem umfangreichen Personalwechsel im Präsidium will FDP-Vorsitzender Lindner die Stimmung drehen. Doch er ist Teil des Problems.
Von Ariane Reimers, ARD-Hauptstadtstudio
Es ist nur noch ein Jahr bis zu Bundestagswahl. Die FDP kämpft mit zum Teil altbekannten Problemen: Inhaltlich dringt die Partei mit ihren Konzepten kaum durch. In Thüringen hallt der Skandal um die Ministerpräsidentenwahl immer noch nach. Und Parteiinterna sickern wieder an die Öffentlichkeit.
Höhepunkt: Der hässliche Sommerstreit um die Neubesetzung der Position des Generalsekretärs. Die gerade erst vor gut einem Jahr mit großem Erfolg gewählte Linda Teuteberg wird im August zum Rückzug gedrängt. Auf der anberaumten Pressekonferenz ist sie selbst nicht einmal eingeladen, der FDP-Vorsitzende hat nur ein paar dürre Worte für sie übrig. Eine funktionierende Partei sieht anders aus.
Zurück zu den Kernfeldern
Jetzt soll es der Parteitag richten, gute Laune und Geschlossenheit vermitteln - mit einem neuen Generalsekretär Wissing, der in Rheinland-Pfalz mit SPD und Grünen regiert, mit einem Unternehmer als neuen Schatzmeister, der erst vor ein paar Monaten von den Sozialdemokraten zur FDP gewechselt ist, mit einer finanzpolitischen Expertin im Präsidium. Das Signal ist klar - Wirtschaftskompetenz in Zeiten der Krise. Zurück zu den Kernfeldern der Partei. Aber reicht das?
Die Probleme sind schließlich hausgemacht. Die FDP ist aus dem Tritt geraten, weil die Führung strauchelt. Christian Lindner hat an Strahlkraft verloren. Das ist nicht schlimm, Politik ist ein kräftezehrendes Geschäft. Aber Lindner selbst sieht sich noch so hell leuchten wie vor vier Jahren. Dabei sind längst andere aus dem Schatten hervorgetreten. Als guter Teamplayer würde er sie stärker einbinden, Verantwortung teilen, vielleicht sogar eine Doppelspitze zulassen. Aber das alles ist nicht zu erkennen.
Feuer ist erloschen
Im Gegenteil, momentan sieht es so aus, als wolle Lindner das gleiche Feuer entzünden, das die FDP zum Höhenflug 2017 getragen hat. Aber das ist mit dem Ausstieg aus den Jamaika-Verhandlungen erloschen. Dort endete die Geschichte des Underdog, der Partei, die sich mit neuen, anderen, jungen und frischen Konzepten zurück in den Bundestag gekämpft hatte.
Die FDP versuchte dann, das Kapitel der glaubwürdigen, zuverlässigen, inhaltsbezogenen Partei aufzuschlagen - und dabei "Serviceopposition" zu sein. Nicht schrill, sondern sachlich, pragmatisch, konstruktiv. Das funktionierte insofern ordentlich, als die Freien Demokraten zwar selten herausragten, aber für ihre Anhängerschaft die richtigen Themen an den richtigen Stellen platzierten.
Debakel in Thüringen wirkt nach
Diese Erzählung hat die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen ruiniert, als sich der FDP-Spitzenkandidat Kemmerich ausgerechnet mit den Stimmen von Höckes rechtsextremer AfD zum Landesvater küren ließ. Christian Lindner reagierte für den Geschmack einiger einen Tick zu spät, zu zaghaft, zu unbestimmt. Und die Wähler und Wählerinnen straften die FDP dafür ab, auch die Umfragewerte erholen sich nicht.
In dieser für die Freien Demokraten so verfahrenen Situation auf das Erfolgsrezept von 2017 zu setzen, verkennt die Situation. Christian Lindner trifft das Lebensgefühl nicht mehr so, wie es ihm vor vier Jahren gelungen ist. Die Partei muss sich und ihren Mut also neu (er)finden. Ob der Schwung des Parteitags, die Teil-Erneuerung des Führungspersonals dafür reicht? Das ist zumindest fraglich.
FDP-Parteitag
Franka Welz, ARD Berlin
19.09.2020 06:21 Uhr
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