
Gleichberechtigung in der Politik "Wenn das von oben kommt, klappt das auch"
Stand: 08.03.2019 03:43 Uhr
Wo steht die deutsche Politik in puncto Gleichberechtigung? Viele Probleme sind seit Jahrzehnten die gleichen. Doch es gibt auch Beispiele für einen positiven Wandel - nicht zuletzt aus der Union.
Von Marcel Heberlein, ARD Hauptstadtstudio
Wenn vor 30 Jahren jemand vorausgesagt hätte, dass Elisabeth Motschmann einmal im Bundestag für mehr Frauen in Führungsämtern kämpft, hätte man ihn wahrscheinlich für verrückt erklärt. Anfang der 1990er-Jahre gab die CDU-Frau ein Buch heraus, das Frauen empfiehlt, zu Hause zu bleiben und sich voll auf ihre Mutterrolle zu konzentrieren. Später machte Motschmann selbst politisch Karriere: Erst in Bremen, 2013 zog sie für die Bremer CDU in den Bundestag ein.
Ihr Weg zeigt, dass auch im konservativen Lager ein Umdenken eingesetzt hat. Im Bundestag ging Motschmann nicht in den Familienausschuss, nicht ins Soziale, sie ging in den Ausschuss für Außenpolitik. Denn:
"Entscheidend ist: Wer macht die Ansagen, wer erklärt die Welt oder die Krisen der Welt? Und das sind dann doch immer wieder die Männer."
Das muss sich endlich ändern, meint Motschmann und will Frauen ermutigen, männliche Dominanz zu brechen. Gerade in der Außenpolitik sei da noch sehr viel zu tun, sagt auch Kristina Lunz vom Zentrum für feministische Außenpolitik. Nur 13 Prozent der deutschen Botschaften in aller Welt werden von Frauen geleitet.
In vielen Ministerien von Gleichberechtigung keine Rede
Es fehlen die Vorbilder, sagt Lunz: "Wenn man in den Etagen des Auswärtigen Amts rumläuft, da gibt es überall diese Ahnengalerien und da sind tatsächlich nur Männer abgebildet. Das schafft natürlich ein sehr männliches, maskulines Umfeld." Die Diplomatinnen selbst nähmen die häufige Rotation und die schwere Vereinbarkeit von Familie und Beruf negativ wahr.
Lunz sieht politische Entscheider in der Pflicht. Dass es auch anders geht, zeige das Beispiel Kanada: "Kanada hatte noch 2013 nur 29 Prozent Botschafterinnen und jetzt sind es seit 2017 44 Prozent." Premierminister Justin Trudeau habe sich dafür eingesetzt - "Und wenn das von oben kommt, dann klappt das auch. Und wo ein Wille da auch ein Weg, aber es scheint hier einfach kein Wille zu sein.“
Auch in vielen Ministerien kann von Gleichberechtigung keine Rede sein. Laut der Wochenzeitung "Die Zeit" schneidet das Landwirtschaftsministerium am schlechtesten ab, nur elf Prozent der Führungspositionen sind dort demnach mit Frauen besetzt.
Im Verkehrs- oder Innenministerium sind es kaum mehr. Legendär das Foto von Innenminister Horst Seehofer mit acht Männern: "Führungsmannschaft komplett", schrieb das Ministerium dazu, was man getrost wörtlich nehmen konnte. Nur das Familienministerium von Franziska Giffey liegt klar über dem Soll und verbessert für andere Ministerien den Schnitt.
AKKs starkes Frauennetzwerk in der Union
An der Spitze der politischen Nahrungskette steht seit vielen Jahren: Angela Merkel, die erste Frau im Kanzleramt. Doch das allein reicht nicht - wie Merkel selbst mahnte, beim Festakt zu 100 Jahren Frauenwahlrecht: "Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer oder so, sagt man, glaube ich. Und insofern kann man also aus der Tatsache, dass es mich gibt... da darf kein Alibi draus werden."
Merkels eigenes Kabinett ist auf den ersten Blick eher ein positives Beispiel: Neun Männer und sieben Frauen sitzen da am Tisch. Parität aber verhinderte am Ende Merkels eigene Fraktion. Die CDU zeigt allerdings auch, was Frauen bewirken können, wenn sie zusammenhalten. Seit Dezember ist Annegret Kramp-Karrenbauer neue CDU-Vorsitzende, sie setzte sich knapp gegen Friedrich Merz durch.
Ihr verlässliches Frauennetzwerk hat da sehr geholfen, sagt eine ihrer lautesten Unterstützerinnen, die Frauenunion-Chefin Annette Widmann-Mauz: "Sie hat in ein Netzwerk auch das zurückgegeben, was es brauchte, damit ein Netzwerk auch funktioniert, nämlich die Loyalität und Unterstützung, wenn es um andere Frauen geht", meint sie. "Und von daher war das auch ein gelungenes Beispiel dafür, dass Frauen netzwerken können. Allerdings haben die Frauen deutlich mehr Jahre gebraucht bis sie das so demonstrieren konnten wie bei dieser Wahl."
"Quotierungen, Quoten, Quoren"
Im Bundestag sieht es mit der Frauenquote dagegen noch schlecht aus, sie ist sogar rückläufig: 31 Prozent, das ist so viel - oder wenig - wie vor 20 Jahren. Was unter anderem an der männerlastigen AfD liegt, aber auch daran, dass die Direktkandidaten viel öfter Männer sind als Frauen.
Widmann-Mauz meint: Um das zu ändern, sind vor allem erst einmal die Parteien gefordert. "Quotierungen, Quoten, Quoren können dazu ein Weg sein, aber es kann auch durch das Parteienrecht unterstützt werden. Wenn wir uns Frankreich anschauen, das finanzielle Regelungen geschaffen hat, um die Parteien zu motivieren ihrer Verantwortung nachzukommen", sagt sie. "Und am Ende, wenn alles nichts fruchtet, kann man natürlich auch über die Änderung des Wahlrechts nachdenken.“
Wo stehen wir 100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland bei der Gleichberechtigung in der Politik? Wir sind die Hälfte des Weges vorangekommen, sagt CDU-Frau Motschmann.
Doch dann fällt ihr ein: "Als ich angefangen habe mit meiner politischen Arbeit - und das ist 40 Jahre her - da hatten wir vier politische Themen, nämlich: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zweitens den Wiedereinstieg in den Beruf, drittens mehr weibliche Führungskräfte und viertens der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen." Alles Themen also, die auch heute noch nicht gelöst sind.
Frauen in der deutschen Politik: Gleichberechtigt?
Marcel Heberlein, ARD Berlin
08.03.2019 06:59 Uhr