
Plan von SPD-Ministern Grundrente statt "Mövenpicksteuer"
Stand: 23.05.2019 12:02 Uhr
Die zuständigen SPD-Minister haben sich nach ARD-Informationen auf die Finanzierung der Grundrente geeinigt: Dafür wollen sie die sogenannte "Mövenpicksteuer" abschaffen. Das soll 700 Millionen Euro jährlich einbringen.
Von Moritz Rödle und Thomas Kreutzmann, ARD-Hauptstadtstudio
Die SPD will noch vor der Europawahl einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Grundrente ab 2021 vorlegen. Hinter den Kulissen hatten Arbeits- und Finanzministerium wochenlang an inhaltlicher Ausgestaltung und Finanzierbarkeit gefeilt. Jetzt haben sich die Ministerien auf ein gemeinsames Konzept geeinigt, das dem ARD-Hauptstadtstudio exklusiv vorliegt.
SPD-Minister veständigen sich auf Gesetzesentwurf zur Grundrente
tagesthemen 22:15 Uhr, 21.05.2019, Moritz Rödle/Thomas Kreutzmann, ARD Berlin
Aus Steuermitteln finanzieren
Demnach sollen nicht nur künftige, sondern auch schon aktuelle Rentner in den Genuss des Rentenzuschlags kommen. Der Entwurf verzichtet komplett auf eine Bedürftigkeitsprüfung. Die neue Grundrente soll nach dem Willen der Sozialdemokraten mehrheitlich aus Steuermitteln finanziert werden. Entnahmen aus den Rücklagen der gesetzlichen Rentenversicherung, über die wochenlang spekuliert wurde, soll es nicht geben.
Hubertus Heil und Olaf Scholz über die Pläne zur Grundrente
21.05.2019, Thomas Kreutzmann, ARD-Hauptstadtstudio
In dem Ministeriumskonzept heißt es, die Einführung der Grundrente dürfe keinesfalls zu höheren Belastungen der Beitragszahler führen. Auch Leistungseinschränkungen an anderer Stelle dürfe es nicht geben. Zusätzlich will die SPD in Zeiten sinkender Steuermehreinnahmen auch den Staatshaushalt nicht über Gebühr belasten.
Bei der möglichen Einführung der Rente 2021 solle der Steueranteil rund 50 Prozent betragen. Für das Jahr 2024 sind bereits 70 Prozent geplant. Die SPD rechnet dafür mit Mitteln aus der geplanten europäischen Finanztransaktionssteuer in Höhe von 500 Millionen Euro pro Jahr - und der Rückabwicklung der sogenannten "Mövenpicksteuer".
700 Millionen mehr pro Jahr
Dieser 2010 von der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung durchgesetzte ermäßigte Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen sei eine unsoziale Subvention. Seitdem sind auf Übernachtungen nur sieben statt 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig. Der Wegfall könnte laut SPD 700 Millionen Euro pro Jahr bringen. Zusätzlich entstünde durch Entlastungen des Bundes im Haushalt des Bundesarbeitsministeriums und durch reformbedingte Steuermehreinnahmen ein zusätzlicher Spielraum von 600 Millionen Euro pro Jahr. Den Rest wollen Finanz- und Arbeitsministerium über Einsparungen bei den Kosten für die Krankenversicherung der Rentner finanzieren.
Das Prinzip dahinter: Durch Reformen im Rentensystem wie zum Beispiel der Mütterrente seien bereits in den vergangenen Jahren zusätzliche Mittel in die Kassen der Krankenversicherungen geflossen. Laut Arbeitsministerium stehen diesen zusätzlichen Einnahmen aber keine extra Ausgaben entgegen. Daher könne man diese Mittel künftig abschöpfen. Dafür werde der Beitragssatz für Rentnerinnen und Rentner um 0,6 Prozentpunkte gesenkt. Die Einsparung für die Rentenkasse durch diese Maßnahme: rund 900 Millionen Euro.
Kosten von rund vier Milliarden Euro
Zum ersten Mal nennt das Arbeitsministerium in dem Papier auch eine konkrete Kostenkalkulation für die Grundrente. Die Zahlen sind leicht niedriger als bisher erwartet. Im ersten Jahr der möglichen Einführung 2021 rechnet das Ministerium mit Kosten in Höhe von 3,8 Milliarden Euro. Bis 2025 steigt dieser Betrag auf jährlich 4,8 Milliarden Euro.
In dem Papier heißt es explizit, die Grundrente werde ohne Bedürftigkeitsprüfung ermittelt. Drei Millionen Menschen könnten davon profitieren. Ein sehr großer Anteil davon seien Frauen. Das Problem hoher Partnereinkommen stelle sich nicht, da die Grundrente in diesem Fall entsprechend besteuert werde. Sie sei damit leistungsgerecht. Wer jahrzehntelang in die Rentenversicherung eingezahlt habe, solle im Alter ordentlich abgesichert sein. Und zwar besser als derjenige, der nur kurzzeitig oder gar keine Beiträge eingezahlt habe. Es gehe um Leistungsträger dieser Gesellschaft wie zum Beispiel Lagerarbeiter, Friseurinnen und Friseure, Kassiererinnen und Kassierer oder Hilfskräfte in der Gastronomie.
Mehrere Bedingungen - aber keine Bedürfnisprüfung
Voraussetzung sind mindestens 35 Beitragsjahre durch Arbeit, Kindererziehung oder die Pflege von Angehörigen. Außerdem ein über das Arbeitsleben ermittelter Durchschnittsverdienst von mindestens 775 Euro im Monat. Damit richtet sich die Grundrente an Bezieher unterer und mittlerer Einkommen.
Das Papier nennt als Beispiel eine Friseurin mit rund 1500 Euro brutto Monatseinkommen. Sie käme ohne Grundrente nach 40 Beitragsjahren auf eine Rente von rund 512 Euro - ein Betrag unterhalb der Grundsicherung. Nach SPD-Modell hätte sie künftig Anspruch auf eine Grundrente von rund 960 Euro.
Streit mit der Union
Ob die Grundrente aber wirklich kommt, ist mehr als fraglich. CDU und CSU haben bereits angekündigt, einer Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung nicht zustimmen zu wollen. Eine Bedürftigkeitsprüfung würde den Kreis der potenziellen Empfänger laut Arbeitsministerium von drei Millionen auf nur noch rund 130.000 Menschen eingrenzen. Eine solche Lösung wiederum schließt die SPD aus. Parteichefin Andrea Nahles kündigte bereits mehrfach an, dass sie nur einer Grundrente zustimmen wolle, die auch bei den Menschen ankomme.
Das Ende der „Mövenpick-Steuer“? – SPD legt Konzept für Grundrente vor
Dirk Rodenkirch, ARD Berlin
21.05.2019 19:06 Uhr
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