
Vorwürfe gegen AfD wegen Hanau "Sie haben sich schuldig gemacht"
Stand: 05.03.2020 10:51 Uhr
Der Bundestag hat der Opfer des Anschlags von Hanau gedacht. Bundestagspräsident Schäuble warnte vor der Gefahr durch Terror von Rechts. SPD-Fraktionschef Mützenich griff mit scharfen Worten die AfD an.
Im Zusammenhang mit dem rassistischen Anschlag von Hanau hat SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich der AfD heftige Vorwürfe gemacht. Eine Spur führe auch hinein in den Bundestag, die AfD sei ein Komplize. "Sie haben den Boden bereitet. Sie haben sich schuldig gemacht", sagte er an die AfD-Fraktion gerichtet während der Parlamentsdebatte über die Morde in der hessischen Stadt.
Es handle sich in Hanau vielleicht um einen Einzeltäter, der aber getragen werde von einem System von Hetze. "Was in Hanau passiert ist, ist mehr als Totschlag", sagte der SPD-Politiker. "Es ist Massenmord." Hoffnung mache ihm die Solidarität vieler Menschen nach der Bluttat. "Wir sind nicht eine Wiederholung von Weimar. Wir sind eine mutige Demokratie."
Bundestag debattiert über Konsequenzen aus Hanau
tagesschau 17:00 Uhr, 05.03.2020, Martin Schmidt, ARD Berlin
AfD wehrt sich gegen die Vorwürfe
Die AfD wies jede Schuldzuweisung für rechtsextreme Gewalt scharf zurück. Abgeordnete der Partei sagten, für die Spaltung im Land seien die anderen Parteien verantwortlich. "Wenn extremistische Tendenzen in einer Gesellschaft erstarken, dann läuft für alle erkennbar etwas grundsätzlich schief. Dann muss sich vor allem die Politik fragen, was sie falsch gemacht hat", sagte der AfD-Abgeordnete Roland Hartwig. "Dann ist es höchste Zeit, die Ursachen für die Fehlentwicklungen und die Verantwortlichen zu benennen."
Der AfD-Politiker Gottfried Curio sagte an die Adresse der anderen Parteien: "Sie spannen ermordete Menschen vor den Karren Ihrer Parteipolemik!" Die Motivation des Täters sei unklar. "Er war verrückt, und der AfD soll es in die Schuhe geschoben werden", sagte er. "Der eigentliche Brandstifter beschuldigt den Feuermelder."
Schäuble fordert konsequenteren Kampf gegen Rechtsextremismus
Zu Beginn der Debatte forderte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble mehr Einsatz des Staates bei der Bekämpfung des rechten Terrors in Deutschland. Der Anschlag mit zehn Todesopfern verlange vor allem Aufrichtigkeit, sagte er. "Aufrichtigkeit vom Staat, der sich eingestehen muss, die rechtsextremistische Gefahr zu lange unterschätzt zu haben." Die lange Spur mörderischer Übergriffe von Einzeltätern und Gruppen quer durch Deutschland zeige: "Das ist Terrorismus."
"Die entschiedene Antwort darauf muss sein, mit allen rechtsstaatlichen Mitteln radikale Netzwerke aufzudecken und rechtsextremistische Vereinigungen zu zerschlagen", sagte Schäuble. "Das geht nur, wenn wir endlich besser werden bei der konsequenten Durchsetzung des Rechts."
"Vergiftetes gesellschaftliches Klima"
Schäuble sagte, Hanau fordere aufrichtige Selbstkritik der Politik. "Solche Wahnsinnstaten geschehen nicht im luftleeren Raum. Sie wachsen in einem vergifteten gesellschaftlichen Klima." Ressentiments gegenüber dem Fremden und abwegigste Verschwörungstheorien würden geschürt, bis Minderheiten als Bedrohung empfunden und in sozialen Medien Hetzjagden oder sogar Morde von perversen Beifallsbekundungen begleitet würden.
In seiner Ansprache nannte er die Namen der Opfer. Das Parlament erhob sich zu einem kurzen Gedenkmoment. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verfolgte die Debatte von der Besuchertribüne.
Brinkhaus: "Der Feind steht rechts"
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus wertete die Gewalttat von Hanau als Anschlag auf die Demokratie. "Neben der Trauer steht für mich auch tiefe Scham." Es sei erschütternd, dass Menschen glaubten, der Staat könne sie nicht mehr schützen. "Nur wer in Sicherheit lebt, kann auch in Freiheit leben", sagte Brinkhaus. "Es war ein Anschlag auf den Kern unseres Staates."
Er betonte: "Der Feind unserer Demokratie steht in diesen Tagen rechts und nirgendwo anders." Hass und Verrohung in der Debatte hätten zugenommen. "Es geht überhaupt nicht darum, dass Probleme nicht benannt werden dürfen." Es gehe aber um Respekt in der politischen Auseinandersetzung.
Trauerfeier mit Bundespräsident und Kanzlerin
Bei dem Anschlag hatte ein 43 Jahre alter Deutscher neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen und sich anschließend selbst getötet. Auch die Mutter des Mannes fanden die Ermittler erschossen in ihrer Wohnung auf. Nach bisherigen Erkenntnissen hatte der mutmaßliche Täter eine rassistische Gesinnung und war psychisch krank. Am Mittwochabend wurde der Opfer bei einer Trauerfeier in Hanau gedacht, an der auch Bundespräsident Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnahmen.
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