
Sinus-Jugendstudie Party war gestern
Stand: 23.07.2020 14:58 Uhr
Ihnen scheint der Spaß abhanden gekommen zu sein: Jugendliche sind heute eher ernst und problembewusst - so die neueste Sinus-Studie. Von der Politik fühlen sie sich nicht gehört.
Von Robert Köhler, BR
Zunächst einmal: Pessimistisch ist die junge Generation nicht. Das betonen die Autorinnen und Autoren der Sinus-Jugendstudie, die in Berlin vorgestellt wurde. In ausführlichen Interviews befragt das Sinus-Institut alle vier Jahre 14- bis 17-Jährige in Deutschland, um in ihre Lebenswelt einzutauchen. "Die Zukunftshoffnungen überwiegen deutlich gegenüber den Sorgen", heißt es in der Studie.
Aber: So ganz voller Euphorie ist er dann auch wieder nicht, der Blick der Jugendlichen in ihre persönliche Zukunft. Vor allem die Bildungsferneren machen sich durchaus Sorgen um Job und persönliche Perspektiven, fürchten den sozialen Abstieg.
Die "ernste Generation"
Was sich an den "Fridays for Future"-Protesten ablesen lässt, zeigt auch die nun veröffentlichte Sinus-Studie: Viele Jugendliche beschäftigen sich mit den großen Herausforderungen der Zeit. Dazu gehört vor allem der Klimawandel. Viele sehen hier angesichts der fortschreitenden Zerstörung der Lebensgrundlagen auf der Erde die Gefahr einer Katastrophe.
Die Jugendlichen heute seien "ernst und problembewusst". Neben dem Klimawandel sorgt auch das Thema soziale Gerechtigkeit für Unmut, heißt es in der Sinus-Studie, aber auch die Migration. "Trotz überwiegender Akzeptanz von Vielfalt in der Gesellschaft verunsichert die anhaltende Zuwanderung weite Teile der Jugend", schreiben die Autoren.
Viele fühlen sich zu wenig gehört
Besonders beunruhigt die junge Generation offenbar, dass sie zwar realistisch auf politische und gesellschaftliche Probleme schauen, aber damit von Verantwortlichen nicht ernst genug genommen werden. "Die Jugend fühlt sich zu wenig gehört", sowohl von der Politik als auch der älteren Generation insgesamt - eine der wichtigen Erkenntnisse.
Die Politik, so die Befragten, würde Maßnahmen gegen den Klimawandel auf die lange Bank schieben. "Viele Jugendliche haben das Gefühl von Macht- bzw. Einflusslosigkeit", heißt es in der Auswertung der Interviews mit den 14- bis 17-Jährigen. "Die massenhafte Teilnahme an 'Fridays-for-Future'-Demonstrationen ist Ausdruck ihrer Ohnmacht und Empörung."
Müssten sich Jugendliche dann nicht stärker in der Politik engagieren? Die Sinus-Studie kommt zwar zu dem Ergebnis - wie auch schon andere Untersuchungen zu diesem Thema -, dass die junge Generation sich zunehmend für Politik interessiert. Die Welt der Parteien und klassische politische Arbeit ist ihr aber fremd.
Auf der Suche nach Halt und Geborgenheit
Die unübersichtliche, globalisierte Welt treibt schon seit Jahren das sogenannte "Regrounding" voran. Das heißt: Immer mehr Menschen sehnen sich nach einem Leben, in dem Familie und Heimat an vorderster Stelle stehen. Dieser Trend setzt sich offenbar auch bei den heute 14- bis 17-Jährigen fort. Der Weg, den viele Jugendliche sich vorstellen, lautet demnach ganz klassisch: Schule, Ausbildung oder Studium, Beruf, Ehe, Kinder.
Jugendliche suchten "Zugehörigkeit, Halt und Orientierung". Die junge Generation beschreibt sich selbst als "bodenständig", soziale Geborgenheit, Hilfsbereitschaft und Toleranz sei ihr wichtig. Viele befürchten mehr Hass und zunehmende Aggressionen in der Gesellschaft, es fehle an Zusammenhalt.
Corona: Sorgen halten sich in Grenzen
Um herauszufinden, wie Jugendliche von der Corona-Pandemie betroffen sind und wie sie darüber denken, mussten die Autoren der Studie ein zweites Mal ran: In einer Nachbefragung befragten sie Jugendliche von Ende April bis Anfang Mai noch einmal. Und stellten unter anderem fest: So richtig betroffen sind die meisten 14- bis 17-Jährigen nicht. Sie sorgen sich zwar teils um Familienangehörige, sind genervt von Einschränkungen, aber: "Nur wenige Befragte erwarten, dass Corona der Wirtschaft oder der Gesellschaft langfristig massiv schaden wird", so die Autoren.
Jugendliche erkennen "Fake News"
Auf der Suche nach Informationen rund um Corona, vor allem im Netz, kommen die meisten Jugendlichen mit Fake News und Verschwörungstheorien in Kontakt. Sie "trauen ihnen aber in den meisten Fällen nicht", heißt es in der Studie.
Demnach meinen die meisten Jugendlichen, Fake News erstens zu erkennen und zweitens damit umgehen zu können. Dabei helfe auch, dass "Fake News" mittlerweile auch in der Schule als Problem aufgegriffen werden - Schülerinnen und Schüler bekommen dort das Grundwerkzeug an die Hand, um "Fake News" zu erkennen.
Sinus-Jugendstudie: Jugendliche sind ernster geworden
Jutta Kaiser, ARD Berlin
23.07.2020 16:17 Uhr
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