
Karfreitag in der Corona-Krise Gottesdienste, wie sie niemand kennt
Stand: 10.04.2020 16:23 Uhr
Am Karfreitag gehen die Gläubigen normalerweise zum Gottesdienst. Heute aber blieben die Gotteshäuser leer. In den digitalen Predigten beschworen beide Kirchen den Zusammenhalt und das Vertrauen.
Von Tilmann Kleinjung, BR
Die Szenerie ist unwirklich: Im weiten Rund der evangelischen Matthäuskirche in der Münchener Innenstadt ist keine Menschenseele. Oben auf der Empore hat sich ein kleiner Chor zusammengefunden, die Sänger halten zwei Meter Sicherheitsabstand, und unten beginnt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Heinrich Bedford-Strohm, einen Gottesdienst, wie er ihn wohl noch nie gefeiert hat.
"Wir kommen zu Gott mit der Not dieser besonderen Tage. Die Corona-Zeit. Die ganze Welt ist im Ausnahmezustand. Mit Millionen und Milliarden von Menschen bitten wir um Errettung aus Krankheit und Tod."
Karfreitag in Corona-Zeiten: Übertragungen von Gottesdiensten über Radio und Internet
tagesschau 20:00 Uhr, 10.04.2020, Tilmann Kleinjung, BR
Versammlungsverbot - auch für Kirchen
Der Gottesdienst mit dem bayerischen Landesbischof Bedford-Strohm wird im Radio übertragen. In Bayern gilt wie in ganz Deutschland ein Versammlungsverbot, von dem auch die Gottesdienste betroffen sind. Anträge und Klagen gegen diese Auflage scheiterten bei den Gerichten. Die Kirchen hatten sie ohnehin nicht unterstützt.
Bedford-Strohm sagt: "Wir können nicht beten ohne Rücksicht auf die Schwächeren. Wenn solche Veranstaltungen eine Gefahr für die Kranken, für die Schwächeren sind, dann ist es Teil unserer Botschaft, dass wir uns genau daran halten, um sie zu schützen."
Der Landesbischof nimmt in seiner Predigt das Leiden und Sterben Jesu Christi unter dem Eindruck der Corona-Krise in den Blick. Er spricht von der Unsicherheit der Menschen, "ob wir das Virus unter Kontrolle bekommen" und "wie wir das Leid tragen, das mit dem Sterben in der Kontaktlosigkeit verbunden ist."
"Aber wir wissen, dass wir all unser Nichtkönnen, all unsere Ohnmacht in Gottes Hand legen und darauf vertrauen dürfen, dass Gott uns in dieser Notlage so viel Widerstandskraft geben wird, wie wir brauchen."
Kardinal Marx predigt in einem Video
Kardinal Reinhard Marx hat eine Videobotschaft für den Karfreitag aufgezeichnet. Es wird über die Socialmedia-Kanäle des Erzbistums verbreitet. In der Kirche hat die Corona-Krise eine kleine digitale Revolution ausgelöst. In dem kurzen Film steht Marx unter einem barocken Kreuz und spricht von einer Botschaft der Hoffnung, die das Kreuz vermittelt. Denn Gott ziehe im Tod seines Sohnes am Kreuz alle Mächte des Todes, der Gewalt und der Sünde an sich.
"Mir scheint es wichtig, dass gerade in dieser Krise deutlich wird: Wir sind eine Menschheitsfamilie. Wir gehören zusammen. Und wir Christen haben den Auftrag zu sagen, dieser Tod vor 2000 Jahren ist ein Hoffnungszeichen für alle Menschen, nicht nur für die Christen."
"Länder mit viel mehr Armut und Elend"
Normalerweise veranstaltet das Erzbistum am Karfreitag eine große Prozession, einen Kreuzweg der Völker, auf dem vor allem Menschen in Not eine Stimme bekommen sollen - überall auf der Welt. Diese globale Dimension ist Marx an diesem Karfreitag besonders wichtig.
"Wir haben ein Gesundheitssystem, das vieles möglich macht. Aber ich mache mir schon Sorgen, wenn ich auf die Welt schaue und diese Pandemie auch in Ländern grassiert, wo viel mehr Armut und Elend herrscht. Wir dürfen den Blick davon nicht abwenden."
Scharf verurteilen Bischöfe in Deutschland die Vorstellung, das Coronavirus sei eine Strafe Gottes. Das sei "nicht der Gott, der sich in Jesus Christus gezeigt" habe, stellt Bedford-Strohm klar.
Karfreitagsgottesdienste im Zeichen von Corona
Tilmann Kleinjung, BR
10.04.2020 12:16 Uhr
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