
Regierungskrise in Thüringen Linkspartei fordert CDU-Stimmen für Ramelow
Stand: 09.02.2020 11:41 Uhr
FDP-Ministerpräsident Kemmerich ist zurückgetreten - wie kann es nun weiter gehen in Thüringen? Die Linkspartei fordert Unterstützung von der CDU. Die SPD berät auf einer Vorstandsklausur. Auch die FDP tagt.
Die Thüringer Linkspartei-Chefin Susanne Hennig-Wellsow hat von der CDU Stimmen für eine Wahl von Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten gefordert. "Wir müssen dokumentieren, dass er von Demokraten gewählt wurde", sagte Hennig-Wellsow. Sie reagierte damit auf einen Vorstoß von AfD-Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland.
Er hatte seinen Thüringer Parteikollegen geraten, Ramelow mitzuwählen, um ihn zu verhindern: "Die kopflose Reaktion von CDU und FDP bringt mich zu der Empfehlung an die thüringischen Freunde, das nächste Mal Herrn Ramelow zu wählen, um ihn sicher zu verhindern - denn er dürfte das Amt dann auch nicht annehmen", erklärte Gauland.
"Es darf nicht auf Stimmen der AfD ankommen"
Hennig-Wellsow sagte, es dürfe bei der Wahl Ramelows zum neuen Regierungschef in Thüringen nicht auf die Stimmen der AfD ankommen. "Wir werden Ramelow nur in die Wahl schicken, wenn wir eine demokratische Mehrheit für ihn haben." Die CDU könne zum Beispiel öffentlich ankündigen, dass vier oder fünf ihrer Abgeordneten Ramelow mitwählen würden - ohne deren Namen zu nennen. Die CDU-Fraktion erklärte bisher stets, einen von der Linkspartei aufgestellten Ministerpräsidenten nicht aktiv ins Amt zu wählen.
"46 Stimmen müssen drin sein", sagte dagegen Hennig-Wellsow, die auch Fraktionschefin der Linkspartei im Thüringer Landtag ist. Möglich seien auch Neuwahlen, allerdings gehe es um eine schnelle Lösung. "Wir können nicht zulassen, dass Thomas Kemmerich diese Land geschäftsführend allein regiert."
Der stellvertretende Linke-Landesvorsitzende Steffen Dittes sagte dem MDR, seine Partei nehme die CDU in die Pflicht. Die Christdemokraten wollten "zu stabilen Verhältnissen beitragen". Das sei nicht durch Enthaltungen möglich, sondern nur, indem man eine Regierung ins Amt wähle.
Kemmerich trat am Samstag zwar mit sofortiger Wirkung als Ministerpräsident zurück - er bleibt aber vorerst geschäftsführend im Amt. Das sieht die Thüringer Landesverfassung so vor. Sein Vorgänger Ramelow war am Mittwoch bei der Ministerpräsidentenwahl Kemmerich unterlegen, der mit Stimmen von FDP, AfD und CDU zum Regierungschef gewählt wurde.
Kemmerich tritt mit sofortiger Wirkung vom Posten des Ministerpräsidenten zurück
tagesthemen 23:25 Uhr, 08.02.2020, Gabor Halasz, ARD Berlin
SPD-Vorstand berät über Thüringen-Krise
Die SPD-Spitze zeigte sich zufrieden mit dem Resultat des Koalitionsausschusses am Samstag. Dabei hatten die Spitzen der Großen Koalition über die Krise in Thüringen gesprochen. SPD, CDU und CSU forderten in einer gemeinsamen Erklärung Kemmerichs Rücktritt und rasche Neuwahlen.
Die beiden SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sagten der "Bild am Sonntag": "Wir sind zu dem klaren und sehr wichtigen Ergebnis gekommen, dass die Parteien der Koalition auf keiner Ebene mit der AfD zusammenarbeiten." Walter-Borjans sprach von einem "absolut offenen Gespräch, in dem Fehler eingeräumt wurden".
Der SPD-Vorstand will heute bei einer Klausurtagung die Ergebnisse des Koalitionsausschusses bewerten. Zugleich trifft sich am Nachmittag die FDP-Bundestagsfraktion. Es wird erwartet, dass sich Fraktionschef Christian Lindner öffentlich dazu äußert.
Zuvor hatte Lindner Fehler eingestanden. "Ich habe die Skrupellosigkeit der AfD im Umgang mit höchsten Staatsämtern unterschätzt", sagte er der "Bild am Sonntag". Er habe sich nicht vorstellen können, dass die AfD einen Kandidaten zum Schein aufstelle, um FDP und CDU zu beschädigen. "Im Wissen darum hätte ich Thomas Kemmerich natürlich den Ratschlag gegeben, auf die Kandidatur zu verzichten."
Koalitionsausschuss zu Regierungskrise in Thüringen
tagesschau 20:00 Uhr, 08.02.2020, Daniel Pokraka, ARD Berlin
Scharfe Kritik an AfD
CSU-Chef Markus Söder lobte die Erklärung der Koalitionsspitzen als klares Signal. Gleichzeitig attackierte er die AfD: "Egal wie sich Mehrheiten bilden, aber eines darf nie passieren: Dass die geistigen Erben aus den 1930er-Jahren, die völkisches Gedankengut haben, es kann nicht sein, dass die am Ende darüber bestimmen, wer unser Land führt und wer unser Land regiert."
Mit Blick auf die Krise in Thüringen warf Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann der AfD vor, die Demokratie zerstören zu wollen. "Ich fürchte, das Ansehen der demokratischen Parteien hat durch das Verhalten von CDU und FDP in Thüringen insgesamt Schaden genommen", sagte der Grünen-Politiker. "Und das sei genau das, was die AfD anstrebe. "Sie hat einen Plan, einen perfiden Plan, und verfolgt diesen durchaus strategisch und planvoll: die Zerrüttung des politischen Systems und eine Unterhöhlung der Demokratie."
Über die Regierungskrise in Thüringen berichtet heute Abend auch der Bericht aus Berlin, um 18:30 in der ARD. Darin spricht Oliver Köhr mit dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner und dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther von der CDU.
Thüringen: Neue Herausforderungen nach dem Koalitionsausschuss
Theo Geers, DLF
09.02.2020 12:44 Uhr