
Koalitionsausschuss berät Mehr Zeit für das Konjunkturpaket
Stand: 03.06.2020 00:00 Uhr
Der Koalitionsausschuss zum geplanten Konjunkturpaket wird angesichts der komplizierten Ausgangslage verlängert. Ein Streitpunkt: Autokauf-Prämien. Gegen die wehren sich auch Demonstranten im Regierungsviertel.
Nach einem rund neunstündigen Treffen haben die Spitzen von CDU, CSU und SPD ihre Beratungen über ein milliardenschweres Konjunkturpaket am späten Abend vertagt. Zum Stand der Verhandlungen wurden zunächst keine Details bekannt. Die Koalitionspartner hatten bereits vor dem Treffen der Partei- und Fraktionsvorsitzenden im Kanzleramt vereinbart, dass die Beratungen gegen 23.00 Uhr beendet und am heutigen Vormittag fortgesetzt würden. Aus Koalitionskreisen hieß es lediglich, dass bis zu einer Einigung voraussichtlich noch eine geraume Zeit zu verhandeln sei. Angesichts der Größenordnung des Pakets von 80 bis 100 Milliarden Euro solle in aller Ruhe verhandelt werden.
Ein Streitpunkt sind finanzielle Anreize zum Autokauf, die insbesondere von der Automobilbranche und den Bundesländern mit großen Produktionsstandorten gefordert werden. Unmittelbar vor Gesprächsbeginn unterstrich die SPD-Spitze ihre harte Haltung bei Hilfen für die Autobranche. "Eine Kaufprämie für Autos der Verbrennertechnik wird es mit uns nicht geben", sagte Parteichefin Saskia Esken.
Koalitionsausschuss berät über milliardenschweres Konjunkturprogramm
tagesthemen 22:30 Uhr, 02.06.2020, Julie Kurz, ARD Berlin,
"Kompliziert und langwierig"
Kurz nach 14.00 Uhr begannen die Partei- und Fraktionsspitzen von CDU, CSU und SPD mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) ihre Beratungen im Kanzleramt. Ziel ist es, nach dem Wirtschaftseinbruch in der Corona-Krise Schub für einen neuen Aufschwung zu geben. Schon vor den Beratungen hatte es geheißen, dass die Beratungen sehr kompliziert und langwierig würden. Hintergrund ist auch eine festgefahrene Auseinandersetzung etwa über Hilfen für die Autoindustrie und eine finanzielle Entlastung der Kommunen, die Fronten auch innerhalb der Parteien aufgerissen hat. CDU und CSU berieten bereits am Vormittag untereinander vier Stunden, bevor sich die Unionsvertreter mit der SPD trafen.
Hoher Druck lastet auf Beratungen
Besonders umstritten sind Kaufprämien für Autos. Dass es die auch für neue Verbrenner-Autos geben soll, sei mit der SPD nicht zu machen, betonte die Vorsitzende der Sozialdemokraten, Saskia Esken: "Unsere Unterstützung für diese Branchen insgesamt soll sich in die Zukunft orientieren. Deswegen wollen wir Kaufprämien ausschließlich für Elektromobilität."
Anderer Meinung ist ihr Parteifreund Stephan Weil, der Ministerpräsident des Auto-Landes Niedersachsen: Kaufprämien für moderne Verbrenner-Autos seien auch gut fürs Klima, weil sie ältere Fahrzeuge ersetzen. Auch die beiden Unions-Ministerpräsidenten Markus Söder und Armin Laschet wollen die Kaufprämie nicht nur auf Elektro-Autos beschränken. Das aber lehnt der Wirtschaftsflügel der Union ab. "Eine Kaufprämie entfacht allenfalls ein Strohfeuer, wirkt nicht nachhaltig. Wir brauchen nachhaltige Lösungen. Wir wollen nicht zurück ins Jahr 2018 oder 2019, sondern in die Zukunft. Und dafür müssen wir gerne der Branche helfen - mit Liquidität, aber nicht mit einer Kaufprämie", sagte Carsten Linnemann, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion.
Der Streit geht also quer durch Union und SPD. Die besten Einigungschancen hat wohl das Modell einer gestaffelten Innovations-Kaufprämie: Je klimafreundlicher ein Auto, um so höher die Prämie, aber auch für den Kauf moderner Verbrenner-Autos gäbe es noch was vom Staat. Gleichzeitig soll der Ausbau von Ladestellen für E-Fahrzeuge beschleunigt werden.
Oliver Köhr, ARD Berlin, zur den Verhandlungen in Berlin
tagesthemen 22:30 Uhr, 02.06.2020
Protest im Regierungsviertel
Die Beratungen werden von Protest begleitet. 2000 Aktivisten bildeten eine Menschenkette durch das Regierungsviertel, um gegen Förderungen für Verbrenner zu protestieren, wie das Netzwerk Campact mitteilte.
Vor den Beratungen bekräftigte die SPD-Vorsitzende Esken zudem ihre Forderung, insbesondere Familien mit Kindern sowie Erwerbslosen, Geringverdienern und Leistungsempfängern zu helfen. Familien sollten "durch einen Bonus unterstützt werden", sagte Esken, ohne eine Summe zu nennen. Im Gespräch waren zuletzt 300 Euro pro Kind. In der Union gibt es Widerstand - aber auch Befürworter: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat sogar 600 Euro vorgeschlagen.
Esken wiederholte zugleich ihre Forderung nach einer Vermögensabgabe für Besserverdienende, um "eine gerechte Finanzierung der Krisenkosten" zu erreichen. Auch dies lehnt die Union ab.
Hilfen für Alleinerziehende
Die CSU forderte, den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende von derzeit 1908 Euro auf 4000 Euro anzuheben. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt begründete dies in der "Bild"-Zeitung damit, dass sich die Situation von Alleinerziehenden während der Corona-Krise weiter zugespitzt habe.
Die Umweltbewegung Fridays for Future, der Paritätische Wohlfahrtsverband und die Gewerkschaft Verdi forderten gemeinsam eine sozial-ökologische Ausrichtung der Konjunkturhilfen. Ihre Vorschläge reichen von Konsumchecks über eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze um 100 Euro bis hin zu einer signifikanten Anhebung der CO2-Steuer bei Entlastung an anderen Stellen.
Die Erwartungen an den Koalitionsausschuss bleiben demnach weiter hoch.
Mit Informationen von Martin Ganslmeier, ARD-Hauptstadtstudio
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