
Merkel zu Corona-Maßnahmen "Keine Empfehlungen, sondern Regeln"
Stand: 22.03.2020 18:57 Uhr
Kanzlerin Merkel hat die Bevölkerung zu "Verzicht und Opfern" im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus aufgerufen. Bund und Länder einigten sich darauf, Treffen von mehr als zwei Personen in der Öffentlichkeit zu verbieten.
Im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus haben sich Bund und Länder erstmals auf einheitliche Regeln für ganz Deutschalnd verständigt. Sie verzichten dabei auf eine bundesweite Ausgangssperre und setzen stattdessen auf ein umfangreiches Kontaktverbot.
In einer gemeinsamen Schaltkonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten der Länder einigten sie sich darauf, von morgen an Zusammenkünfte in der Öffentlichkeit von mehr als zwei Personen zu verbieten. Ausnahmen gibt es für Familien. Schließen müssen alle Restaurants und Friseure.
"Bitte ziehen Sie alle mit"
Das teilte Merkel in einer Pressekonferenz mit. Sie appellierte dabei an die Bevölkerung, die beschlossenen Maßnahmen zu beherzigen, denn "unser eigenes Verhalten ist derzeit das wirksamste Mittel", so Merkel. "Bitte ziehen Sie alle mit", sagte die Kanzlerin in Berlin. "Zeigen Sie Vernunft und Herz."
Pressekonferenz von Angela Merkel zu neuen Maßnahmen der Bundesregierung
tagesschau 17:15 Uhr, 22.03.2020
Es bedeute Verzicht und Opfer, wirtschaftlich wie menschlich, wenn man nicht mehr so einfach Großeltern besuchen oder Freunde treffen dürfe, sagte Merkel. Nun würden aber in ganz Deutschland im Grundsatz die gleichen Regeln gelten. Damit wisse jeder genau, woran er sei.
Die mit den Ministerpräsidenten beschlossenen Maßnahmen seien dabei "keine Empfehlungen, sondern Regeln", so Merkel. Es sei eine große Ermutigung, dass dies bereits Millionen von Menschen aus dem Gemeinsinn heraus leisteten. "Dieser Gemeinsinn wird uns durch diese schwere Zeit tragen."
Streit zwischen Ministerpräsidenten
Zuvor hatten sich bereits mehrere Ministerpräsidenten zu den Ergebnissen der Beratung geäußert. Den Anfang hatte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet gemacht. "Nach unserer Einschätzung ist nicht das Verlassen der Wohnung die Gefahr, sondern der enge, unmittelbare Kontakt", begründete der Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes die neuen Maßnahmen. Ein entsprechend angepasstes Verbot sei demnach "verhältnismäßiger, zielgerichteter und besser zu vollziehen" als eine Ausgangssperre.
Bei den Beratungen gab es dem Vernehmen nach heftigen Streit zwischen Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und NRW-Regierungschef Laschet. Laschet habe Söder demnach massiv attackiert, weil dieser "ohne Absprache" Ausgangsbeschränkungen für Bayern verordnet hatte. Söder habe daraufhin damit gedroht, die Schalte zu verlassen. Merkel habe schlichten müssen, berichtete auch die Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios, Tina Hassel.
Tina Hassel, ARD Berlin zu den Pressekonferenzen von Laschet und Merkel
tagesschau 20:00 Uhr, 22.03.2020
Erfolg der Maßnahmen erst verzögert zu erwarten
Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, wies - ebenfalls in einer Pressekonferenz nach dem Beschluss der Länder - allerdings darauf hin, dass der Erfolg der beschlossenen Maßnahmen erst in etwa zwei Wochen ersichtlich sei. Bis dahin sei damit zu rechnen, dass die Zahl der Infektionen mit dem Coronavirus weiter ansteige.
Grüne und FDP begrüßen Regelung und betonen Befristung
Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock begrüßte die Einigung von Bund und Ländern. Wichtig sei dabei, dass ein "solch tiefer Grundrechtseingriff eng befristet ist", wie sie auf Twitter schrieb.
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner lobte, dass ein strenges Kontaktverbot vernünftiger sei als eine Ausgangssperre. Allerdings sind auch in Bundesländern mit sogenannter Ausgangssperre Spaziergänge erlaubt - Differenzen gibt es insbesondere bei der Personenanzahl.
Merkel vorsorglich in häuslicher Quarantäne
Auch die Kanzlerin selbst wird nun in den kommenden Tagen jeglichen persönlichen Kontakt vermeiden: Nach der Pressekonferenz zu den neuen Maßnahmen begab sie sich selbst in häusliche Quarantäne, wie Regierungssprecher Steffen Seibert mitteilte. Ein sie behandelnder Arzt sei positiv auf das Coronavirus getestet worden, wie sie laut Seibert unmittelbar nach dem Auftritt erfuhr.
"Die Bundeskanzlerin wurde nach ihrem heutigen Presseauftritt davon unterrichtet, dass ein Arzt, der am Freitagnachmittag eine prophylaktische Pneumokokken-Impfung bei ihr vorgenommen hatte, mittlerweile positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Daraufhin hat die Bundeskanzlerin entschieden, sich unverzüglich in häusliche Quarantäne zu begeben. Sie wird sich in den nächsten Tagen regelmäßig testen lassen, weil ein Test jetzt noch nicht voll aussagekräftig wäre. Auch aus der häuslichen Quarantäne wird die Bundeskanzlerin ihren Dienstgeschäften nachgehen."
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