
#kurzerklärt Wie spioniert der BND?
Stand: 19.05.2020 05:02 Uhr
Agenten gibt es nicht nur in Filmen. Viele sind für den Bundesnachrichtendienst tätig. Dort sollen sie für die Sicherheit Deutschlands sorgen und der Bundesregierung Informationen liefern.
Von Sebastian Deliga, SWR
Sein Name ist Bond. James Bond. Der englische Gentleman-Spion hat einen ziemlich aufregenden Job: Als Spion ihrer Majestät muss er sich gegen russische Agenten, übergeschnappte Milliardäre und geheimnisvolle Verführerinnen behaupten. Im wirklichen Leben ist Spionage weit weniger spektakulär - zumindest in Deutschland.
Unterschied zwischen Geheim- und Nachrichtendiensten
Zunächst unterscheidet man Geheim- von Nachrichtendiensten. Letztere "beschaffen nur Informationen, werten sie aus und identifizieren geheimdienstliche Angriffe von außerhalb des eigenen Staates", sagt Wolfgang Krieger, Historiker und Geheimdienst-Experte. Dagegen beschränken sich Geheimdienste nicht darauf, Informationen zu beschaffen, sondern üben auch verdeckte Operationen aus.
Klaus-Dietmar Henke, ebenfalls Historiker und wie Krieger Mitglied in der Unabhängigen Historikerkommission, die die Geschichte des Bundesnachrichtendienstes (BND) erforscht, betont:
"Dieser Begriff sollte besser für solche Dienste reserviert bleiben, die zusätzlich zur Nachrichtenbeschaffung verdeckte operativ-exekutive Befugnisse haben, die Central Intelligence Agency (CIA), der Auslandsgeheimdienst der Vereinigten Staaten, etwa. Allgemein bekannt ist beispielsweise deren Invasionsversuch in Kuba im April 1961."
Damals versuchten Exil-Kubaner mit Unterstützung der CIA, die Revolutionsregierung von Fidel Castro zu stürzen. Geheimdienst-Experte Krieger sagt, die deutschen Nachrichtendienste behaupteten zwar von sich, solche zusätzlichen Aufgaben nicht zu erfüllen, er schränkt aber ein: "Das ist zumindest für den BND im Kalten Krieg unzutreffend."
BND, MAD, Verfassungsschutz
Deutschland hat drei Nachrichtendienste: Den Verfassungsschutz (BfV), den Militärischen Abschirmdienst (MAD) und den Bundesnachrichtendienst.
Der Verfassungsschutz ist für das Inland zuständig: Er beobachtet unter anderem Rechts- und Linksextremisten und betreibt Spionageabwehr. Der Militärische Abschirmdienst ist der Nachrichtendienst für die Bundeswehr: Er soll unter anderem Extremisten unter den Soldaten oder Saboteure aufspüren.
Das Ausland schließlich ist das Metier des Bundesnachrichtendienstes.
400 Berichte pro Monat
Der Auftrag des deutschen Auslandsnachrichtendienstes lautet: Mit für die Sicherheit Deutschlands zu sorgen und der Bundesregierung Informationen zu liefern. Zum Beispiel über den internationalen Terrorismus oder Cyberangriffe aus dem Ausland, organisierte Kriminalität oder die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Außerdem fertigt er Analysen über Politik, Wirtschaft und Militär in einzelnen Staaten oder Konfliktregionen an. Nach eigenen Angaben erstellt der BND für die Kanzlerin und ihre Minister etwa 400 Berichte pro Monat und beantwortet etwa 750 Anfragen.
6500 Menschen arbeiten für den BND
Er hat etwa 6500 Beschäftigte, die meisten davon in der neuen BND-Zentrale in Berlin-Mitte. Einen zweiten Sitz hat der BND in Berlin-Lichterfelde, und am früheren Hauptsitz in Pullach bei München ist nun das Zentrum Technische Aufklärung. Außerdem sitzen Mitarbeiter des BND in deutschen Botschaften auf der ganzen Welt.
Die Agenten sind nach BND-Angaben zu 33 Prozent Beamte, 55 Prozent Angestellte und zwölf Prozent Soldaten. 35 Prozent von ihnen sind Frauen. Es gibt etwa 400 unterschiedliche Berufsgruppen im BND - darunter Übersetzer, Psychologen und auch IT-Spezialisten, die sich als Hacker betätigen.
Telefonnummer beim BND: 007
Wie der BND konkret an seine Informationen herankommt, hält er selbstverständlich geheim. Einen kleinen Einblick gibt der Nachrichtendienst aber selbst, im Internet. Zudem hat er in seiner neuen Zentrale in Berlin ein eigenes Besucherzentrum eingerichtet - samt interaktiver Ausstellung. Ein Nachrichtendienst, der transparent erscheinen will? Die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit hat auf der Internetseite des BND eine Telefonnummer angegeben, die mit den Ziffern "007" endet - wie bei James Bond. Reiner Zufall, heißt es auf Nachfrage.
Spionieren erlaubt
"Nachrichtendienste dürfen, was anderen verboten ist: Spionieren", verkündet der BND selbst in seiner Informationsbroschüre. Die Mittel, die er dazu nutzt, haben so kryptische Namen wie IMINT, OSINT, SIGINT und HUMINT. Ersteres steht für "Imagery Intelligence": Mit Satelliten- und Luftbildaufnahmen untersuchen Spezialisten zum Beispiel Truppenbewegungen in einer bestimmten Region. Unter OSINT - "Open Source Intelligence" - verstehen die Nachrichtendienstler die Analyse offen zugänglicher Informationen, etwa aus Zeitungen, Internet oder sozialen Medien. "Mit speziellen Recherchetools" sei es möglich, schnell wichtig erscheinende Informationen zu erfassen, auch aus "zugangsbeschränkten Bereichen des Internets", etwa aus dem Darknet oder geschlossenen Foren. "Signals Intelligence" (SIGINT) schließlich bedeutet die Überwachung weltweiter Datenströme, also elektronischer Kommunikation wie E-Mails oder SMS.
Als Rechtsgrundlage für die Arbeit der Spione dient das sogenannte BND-Gesetz. Es erlaubt den Agenten auch, von Deutschland aus Informationen über Ausländer im Ausland zu sammeln und auszuwerten, und zwar ohne konkreten Anlass. Das Bundesverfassungsgericht hat die bisherige Regelung für teilweise verfassungswidrig erklärt.
Spione unterwegs: "Human Intelligence"
Nach Angaben des BND ist die "Königsdisziplin" der nachrichtendienstlichen Mittel HUMINT" - also "Human Intelligence". Damit wird im Geheimdienst-Jargon das Führen von sogenannten Quellen - also Personen, die an interessante Informationen gelangen - bezeichnet. Dafür arbeiten BND-Agenten im Ausland auch unter falscher Identität. Um etwa herauszufinden, was in einer syrischen Fabrik entwickelt wird, treten sie in Kontakt mit Menschen, die dort arbeiten. Diese liefern Informationen, häufig für Geld.
Laut Historiker Henke ist dies die älteste und klassische Methode der geheimen Nachrichtenbeschaffung: "Sie zielt zumeist darauf ab, in mitunter sehr komplizierten und riskanten Operationen eine Agentin oder einen Agenten in gegnerischen, feindlichen, manchmal sogar befreundeten Institutionen zu platzieren. Das kann im Idealfall nachrichtendienstlich höchst ergiebig sein und ist bis heute internationale Praxis, auch die des BND. Einer der bekanntesten Fälle: Günter Guillaume. Anfang der siebziger Jahre war er Agent der Stasi gewesen, der es bis ins Bundeskanzleramt und dort in die unmittelbare Nähe des damaligen Kanzlers Willy Brandt schaffte.
Falsche Papiere
Geheimdienst-Experte Krieger zufolge läuft "Human Intelligence" nach einem bestimmten Prinzip ab: Die Agenten des BND treffen sich laut Krieger mit ihren Quellen, um das Material oder die Informationen entgegenzunehmen und ihnen Weisungen zu erteilen. "Auch die Bezahlung wird dabei übergeben, nicht immer, aber häufig", so Krieger. Je nach Notwendigkeit würden die genannten Personen mit einer Legende ausgestattet, also einer erfundenen Identität, samt Reisepässen, Kreditkarten und Führerschein.
Kontrolle durch das Parlament
Kontrolliert werden der BND und seine Arbeit durch mehrere Behörden und Gremien, die für unterschiedliche Teilbereiche zuständig sind. Eines der wichtigsten: Das Parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestags. Es kontrolliert alle Nachrichtendienste des Bundes, also auch den MAD und den Verfassungsschutz. Die Mitglieder sind Abgeordnete des Bundestags und zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Befugnisse des Gremiums regelt ein Gesetz. Vorsitzender ist der CDU-Bundestagsabgeordnete Armin Schuster. Das Gremium erhalte seine Informationen aus verschiedenen Quellen, um seine Kontrolle auszuüben, so Schuster. Die Nachrichtendienste selber seien verpflichtet, dem Gremium Berichte vorzulegen, zudem könnten die Abgeordneten auf Verlangen Berichte anfordern und auch eigene Kontrollen durchführen.
"Third-Party-Rule" macht Kontrolle löchrig
Aber: Viele Informationen gewinnt etwa der BND durch die Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten, etwa der amerikanischen National Security Agency (NSA). Und ausländische Dienste können die deutschen Abgeordneten nicht kontrollieren. Denn es gilt die "Third-Party-Rule": Informationen, die ein Dienst von einem anderen bekommt, darf er nicht weitergeben - es sei denn, dieser erlaubt es. "In der Regel werden Informationen nur zwischen zwei Geheimdiensten ausgetauscht. Dieses Material darf nicht an Dritte weitergegeben werden, wobei auch andere Behörden oder Dienste im selben Staat als 'Dritte' zu betrachten sind", so Geheimdienst-Historiker Krieger. Da könne es vorkommen, dass der BND beispielsweise eine Information aus dem Staat X nicht an den Verfassungsschutz oder den Deutschen Bundestag weitergeben darf. "Logischerweise führt das zu Einschränkungen der parlamentarischen Kontrolle", so Krieger.
Kontrolleur Schuster verweist darauf, dass das Bundesverfassungsgericht 2016 die "Third-Party-Rule" als "allgemein anerkannte Verhaltensregel" akzeptiert habe. Würde der BND diese Regel brechen, bekäme er möglicherweise keine Informationen mehr von befreundeten Diensten. Eine Grauzone also, die eine umfassende Kontrolle der nachrichtendienstlichen Arbeit massiv erschwert.
Bedeutung des BND unklar
Welche Rolle der BND für die deutsche Politik spielt, ist nicht ganz klar. "Alle bekannten öffentlichen Äußerungen hoher und höchster staatlicher Amtsträger unterstreichen jedenfalls den beträchtlichen Stellenwert der Informationsgebung durch den BND", sagt Historiker Henke. Geheimdienst-Spezialist Krieger dagegen meint, dass die Bedeutung des BND nur von Fall zu Fall beurteilt werden könne: "In der Terrorismusbekämpfung ist die Rolle des BND bestimmt sehr groß", vermutet er. "Bei der Festlegung der allgemeinen Außen- und Sicherheitspolitik hingegen weniger. Hier kann der BND empfehlen oder warnen, mehr nicht."
Trotz aller Versuche, transparenter zu werden, bleibt der BND geheimnisvoll. Kritiker sagen sogar, er überschreite immer wieder die Grenzen des Rechts.
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