
Qualität von Alltagsmasken Mehr Schichten, mehr Schutz
Stand: 20.08.2020 04:04 Uhr
Die Qualität von Corona-Alltagsmasken ist sehr unterschiedlich. Eine neue Studie zeigt, dass vor allem dünne Stoffe zu wenige Aerosole herausfiltern. Experten empfehlen, bei der Wahl der Maske genau hinzuschauen.
Von Tim Diekmann, SWR
Wenn einem die Schweißperlen auf der Stirn stehen und das T-Shirt am Oberkörper klebt, dann ist es selbst für viele Sommerliebhaber zu warm. Wer aber bei über 30 Grad im Corona-Sommer mit Mundschutz in Bus und Bahn unterwegs ist oder gar arbeiten muss, der leidet besonders. Denn die für die Pandemiebekämpfung so wichtige Alltagsmaske stört nicht nur, sie lässt uns auch schwerer atmen.
Schnell werden dünne Seidenschals über Mund und Nase gezogen, um wenigstens etwas mehr Luft zu bekommen. Oder statt einer Maske aus zweilagigem Baumwollstoff wird eine luftigere Kunstfaser genutzt. Hauptsache die Maskenpflicht wird eingehalten. Vor solchen Schritten warnt aber nun eine bislang unveröffentlichte Studie der Universität Marburg und dem Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft in Schmallenberg.
"Je schwieriger das Atmen, desto besser"
Dominic Dellweg, Chefarzt für Pneumologie am Fachkrankenhaus, hat in einer Studie die Schutzqualität von 16 industriell produzierten so genannten Communitymasken getestet. Das Ergebnis: Durch manche kommen deutlich mehr Aerosole als gedacht.
Insgesamt variiert die Filterleistung im Test stark: Von gerade mal rund 35 Prozent bei einer einlagigen Schutzmaske eines Unterwäscheherstellers bis zu 89 Prozent bei einer dreilagigen Maske eines Sockenproduzenten. Generell gelte, so Dellweg, je höher die Filterleistung, desto höher sei auch der potenzielle Schutz vor SARS-CoV-2. Anders gesagt: "Je schwieriger man durch den Stoff der Maske atmen kann, desto höher ist die Filterleistung."
Textilhersteller werden zu Maskenproduzenten
Im schwäbischen Burladingen produziert der Textilhersteller Trigema in dritter Generation Sport- und Freizeitbekleidung. Als im März die Nachfrage nach Schutzmasken in Deutschland stieg, entschied Firmenchef Wolfgang Grupp zu helfen. Mit Stoffen, aus denen sonst Poloshirts gefertigt werden, baute Grupp eine Maskenproduktion auf. 2,3 Millionen Stück sind bis August für Kliniken, Pflegeheime und Automobilhersteller produziert und ausgeliefert worden. Seine Kunden seien glücklich, sagt Grupp.
Dabei filtert die getestete Trigema-Maske laut Studie nur rund 50 Prozent der im Test künstlich produzierten Aerosole heraus. Für Grupp nicht weiter überraschend: "Ich habe keinen Anspruch, eine medizinische Maske herzustellen. Wir haben auf Bitten von Kliniken und Pflegeheimen geholfen."
Qualität von medizinischen Schutzmasken besser
Auch wenn einzelne Alltagsmasken eine hohe Filterleistung aufweisen, an die Qualität von medizinischen OP-Masken oder besonders schützenden FFP-Masken kämen die getestet Masken nicht heran, so Studienleiter Dellweg. Sollte man also nun doch medizinische Masken tragen, um sich und andere bestmöglich vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu schützen?
Dellweg lehnt das ab, denn anders als Alltagsmasken können medizinische Masken nicht wiederverwendet werden und landen nach wenigen Stunden im Müll. Die benötigte Menge an Masken würde den Markt wohl überfordern. Daher plädiert Dellweg für die Nutzung von wiederverwendbaren Stoffmasken im Alltag.
Bundesregierung fördert Maskenproduktion im Inland
Damit Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen auch bei länger anhaltender Pandemie ausreichend Schutzmasken zur Verfügung stehen, sollen nun Millionen medizinischer Einwegmasken in Deutschland produziert werden. Damit will sich der Bund weniger abhängig von asiatischen Importen machen.
Selbst entscheiden, welche Maske passt
Von Mitte August an soll das Bundesgesundheitsministerium 45 Millionen Masken pro Woche erhalten. Noch läuft die Produktion der 38 Partnerunternehmen schleppend, bis zum 17. August wurden nur rund 4,8 Millionen Masken an den Bund geliefert. Unternehmen berichten von Lieferverzögerungen bei Textilmaschinen.
Für Lungenmediziner Dellweg ist die Alltagsmaske ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Ein Problem sieht er darin, dass es bislang keine einheitlichen Qualitätsstandards für Alltagsmasken gibt. Aus diesem Grund komme es auch zu den in der Studie beobachteten starken Qualitätsunterschieden. "Was wir brauchen, ist keine weitere DIN-Norm, sondern die Einführung von Schutzklassen für Alltagsmasken. So wie wir das bereits von den FFP-Masken kennen."
Auch das Bundesgesundheitsministerium hält eine Normierung von "besonderen Mund-Nasenbedeckungen" nicht für sinnvoll. Am Ende müsse jeder für sich entscheiden, so Dellweg, welche Alltagsmaske zu einem passt: "Wenn Sie sich und andere schützen wollen, dann nehmen Sie eine Maske, die Sie zwar tolerieren können, aber wo ein Atemwiderstand spürbar ist."
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