
Bund-Länder-Konferenz Lockerungskaskade mit Notbremse
Stand: 07.05.2020 02:15 Uhr
Der Bund hat die Verantwortung für die Beschränkungen in der Corona-Krise größtenteils an die Länder abgegeben. Das in den Landeshauptstädten vorgelegte Lockerungs-Tempo ist vielen aber zu hoch.
Von Kai Küstner, ARD-Hauptstadtstudio
Deutschland fährt die selbst auferlegten Beschränkungen herunter - und damit sich selbst wieder hoch. Hoffentlich geht das gut, seufzen nervös die einen. Endlich, finden die anderen:
"Die Politik in Deutschland ändert sich um Fünf nach Zwölf", kritisiert FDP-Chef Christian Lindner. Soll heißen: Die Lockerungen kommen aus seiner Sicht viel zu spät. Wohingegen andere mahnen: Wenn das schief geht, dann könnte es bald wieder "Fünf vor Zwölf" sein. Dass die Situation entgleiten könnte, davor warnt etwa der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter:
"Wenn ich mir anschaue, wie einzelne Ministerpräsidenten im Vorfeld dieses Gipfels reagiert haben, hat man den Eindruck: Da wird ein Wettbewerb ausgeführt, wer ist am schnellsten mit den Lockerungen. Da geht es um ganz andere Interessen - um Kanzlerkandidaturen."
Forderung nach Kindergipfel
Einen Lockerungs-Wettlauf der Bundesländer nimmt auch Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch wahr. Der habe dazu geführt, dass die Kanzlerin das "Heft des Handelns aus der Hand gegeben" habe. Im Übrigen hätte Bartsch statt des am Dienstag abgehaltenen Autogipfels ein anderes Spitzentreffen bevorzugt:
"Ich hätte mir einen Kindergipfel gewünscht. Dass die Heranwachsenden, die das vielfach gar nicht verstehen können, in anderer Weise in dieser Situation unterstützt werden."
Bund und Länder einigen sich auf weitreichende Lockerungen
tagesthemen 22:00 Uhr, 06.05.2020, Christian Feld, ARD Berlin
Dass es an der Zeit sei, Familien und Kinder zu entlasten, fordert auch AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla. Nun hat der Bund bei den Schulen und Kitas, bei Restaurants wie Museen, bei Hotels und Ferienwohnungen die Öffnungs-Verantwortung - ohne verbindliche Zeitvorgaben zu machen - weitgehend in die Hände der Bundesländer gelegt.
Kanzlerin gibt Verantwortung ab
"Es gelten nicht alle Maßnahmen für alle 82 Millionen Deutschen" sagt Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet. "Sondern sie werden zielgerichtet da ansetzen, wo die Pandemie bekämpft werden muss."
Was Laschet als "präzises Bekämpfen" der Pandemie bezeichnet, nennen andere - weniger euphorisch - schlicht "Flickenteppich". Bei der Kanzlerin jedenfalls dürfte in den letzten Tagen die Erkenntnis gereift sein, dass sie die bereits gefassten Lockerungs-Beschlüsse der Länder nie würde wieder einfangen können, weshalb sie ihnen nun auch die Verantwortung dafür übertragen hat, sollte das alles scheitern.
Bundesländer haben Tempo vorgegeben
"Das sind große Schritte, die wir gehen, und diese großen Schritte haben auch ein großes Risiko. Wir alle entscheiden darüber, ob und wie sich diese Pandemie weiter verbreitet."
So mahnt etwa Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke von der SPD. Das Tempo bei den Öffnungen mag der Kanzlerin zu hoch erscheinen, doch vorgegeben haben das die Bundesländer. Merkel ist es gerade noch gelungen, angesichts der allseits gelockerten Handbremsen noch eine Art Notbremse einzubauen, die das Tempo regional wieder drosselt, sollten die Infektionszahlen an bestimmten Orten in die Höhe schnellen oder gar ein "Fall Ischgl" in Deutschland auftreten.
Gefragt danach, wer an dieser Bremse sitzt, bleibt ihr nur noch dieser Kommentar:
"Wenn wir dieses Vertrauen nicht mehr haben, dass Landräte, Bürgermeister, Gesundheitsämter, Bürgermeister gut arbeiten - dann können wir einpacken. Das ist dann nicht unsere Bundesrepublik Deutschland."
Öffnungskaskade mit Notbremse
Kai Küstner, ARD Berlin
07.05.2020 06:29 Uhr
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